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Reformpädagogik reflektiert 1. Gründungszeit - 2. Konferenzen - 3. Friedensbewegung - 4. Zeit des Nationalsozialismus - 5. Welt des Kindes - 6. Folgen der Diktatur - 7. Conclusio - 8. freiheitliches Denken - 9. Grundpositionen des Weltbundes WEE: Wofür steht die älteste reformpädagogische Scientific Community - und wie sehr ist sie von dem unseligen Zeitalter des Nationalsozialismus' betroffen gewesen? Gerd-Bodo von Carlsburg 1 Die Gründungszeit des Weltbunds Der Weltbund für Erneuerung der Erziehung - New Education Fellowship (WEE - WEF) als älteste internationale erziehungswissenschaftliche Gelehrtengesellschaft (International Scientific Community) und zugleich praxisnahe pädagogische Gemeinschaft, verstand sich seit seiner Gründung 1921 in Calais immer als das wichtigste Forum der Reformpädagogik der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Initiatorinnen und Initiator waren: die Engländerin Beatrice Ensor (1885-1974) für die weltweite internationale Vereinigung, die in Deutschland lebende Schweizerin Elisabeth Rotten (1882-1964) für die deutschsprachige Sektion, für die französischsprachige Sektion der heute noch in der Wissenschaft eine hohe Anerkennung genießende Genfer Pädagoge Adolphe Ferrière (1879-1960). Elisabeth Rotten gab seit 1922 die in Berlin verlegte Zeitschrift "Die Neue Erziehung" heraus; zugleich erschien als Vierteljahresbeilage "Das Werdende Zeitalter", das deutsche Organ des Internationalen Arbeitskreises für Erneuerung der Erziehung. Für die internationale Vereinigung gibt es als Forum seit 1920 die Zeitschrift "The New Era", die schon prominente Mitwirkung durch Alexander Sutherland Neill (1883-1973) erfuhr, der seine Arbeit in Summerhill kritisch zur Diskussion stellte, dessen Schriften "Theorie und Praxis der antiautoritären Erziehung. Das Beispiel Summerhill" (1965, dtsch. 1969), "Das Prinzip Summerhill: Fragen und Antworten. Argumente, Erfahrungen, Ratschläge" (1967, dtsch. 1971) sowie "Die grüne Wolke. Den Kindern von Summerhill erzählt" (1938, dtsch. 1971) in den siebziger Jahren hunderttausende Leser fanden. top siehe paed.com 2 Internationale Konferenzen des Weltbunds Die internationalen Konferenzen 1923 in Montreux, 1925 in Heidelberg, wo Martin Bubers (1878-1965) Rede "Erziehung und Freiheit" ein stark internationales Echo fand, 1927 in Locarno, 1929 in Helsingør und 1932 in Nizza, gaben richtungweisende Impulse für die 'Erziehung vom Kinde aus'. Alle Referenten/innen besaßen große Reputation und schrieben nach diesen Konferenzen gefragte Publikationen. Sprecher dieser internationalen Bewegung waren u.a. der Genfer Pädagoge top 3 Der Weltbund als Friedensbewegung "The New Era" veröffentlichte viele der von M. Montessori anlässlich der internationalen Weltbund-Kongresse gehaltenen Vorträge. Im September 1932 erschien ihr in Nizza gehaltener Vortrag "Disarmament in Education" (Abrüstung in der Erziehung) in der "The New Era", ein Beitrag, der sich insbesondere damit befasst, dass die Welt der Erwachsenen unseren Lebensalltag bestimmt, einen Alltag, in dem das Kind viel zu wenig seinen Platz und Valorisierung findet. Sie legte damit den Grundstein zu einer Friedenspädagogik, einer Erziehung zu Solidarität und Demokratieverständnis in der Gemeinschaft, wie sie auch heute noch in der Heidelberger Internationalen Gesamtschule (Friedensschule) im Sinne von Erziehung zur Humanität und Schulleben als selbstgelebtes Erleben von Verantwortung für sich selbst und den Anderen praktiziert wird, mitbegründet von Im Jahre 1931 wurde top 4 Der Weltbund nach der Zeit des Nationalsozialismus' Von 1933 bis 1945 kam der Weltbund im europäischen Sprachraum weitgehend zum Erliegen, besonders im deutschsprachigen Raum, wo alle Aktivitäten untersagt wurden, weil sie dem nationalsozialistischen Gedankengut entgegenstanden. Nach ersten Kontakten in die USA und England ab 1945 wurde 1951 die deutschsprachige Sektion des Weltbunds auf Initiative von Elisabeth Rotten in Jugenheim/Bergstraße neu gegründet. Die Heidelberger Pädagogen, als Mitglieder des Präsidiums des Weltbunds für Erneuerung der Erziehung (deutschsprachige Sektion) Mit der Gründung des Auch heute hat das Diktum des Weltbunds Bestand, Zielsetzungen der gelebten Reformpädagogik zu vermitteln und in die 'modern-reflexiven' Maximen einer Bildungslandschaft exemplarisch-genetisch zu transferieren, auf das anthropologische Denken und Handeln als wesentlichen Baustein einer 'Schule der Zukunft' zu verweisen, wobei die internationale Community - New Education Fellowship - weltweit engagiert tätig ist, vor allem im fernen Asien, Indien und Australien. Es soll sich hier aber - mit Blick auf die Weiterführung des europäisch- reformpädagogischen Gedankenguts - auf die Reflexion der gegenwärtigen deutschsprachigen Sektion (Deutschland, Österreich, Schweiz, Südtirol und Liechtenstein) beschränkt werden. Der Weltbund begleitet weiterhin die reformpädagogischen Gründungen, seien es die Schulen der top 5 Haben wir es heute schon geschafft, eine 'Welt des Kindes' zu konzipieren? Unser grenzenloser Egoismus erlaubt uns nur uns selbst. Der polnische Pestalozzi und Kinderarzt War es eines der wichtigen Erziehungsziele der Reformpädagogik, selbstständiges und explorierendes Lernen sich anzueignen und konkludentes, divergierendes Denken zu entwickeln, Bildung zur Selbstbildung, die Handlungsmündigkeit generiert, die diesen Bildungsgedanken in einen emanzipatorischen Erziehungsmodus transferierte, so ist aus heutiger Sicht uns klar bewusst, warum seit 1935 in der Stalin-Ära und schon seit 1933 mit Beginn des Nationalsozialismus' diese Gedankenfreiheit, die der mit dem Mannheimer Nationaltheater (1783-1785) verbundene Dramatiker Friedrich v. Schiller (1759-1805) in "Kabale und Liebe" (1784) einforderte, abgeschafft wurde, weil freies Denken und Handeln und Verhalten andere Normen impliziert als die sogenannten 'neuen' deduktiv-demagogischen Erziehungsmethoden der Nazis ab 1933 - Heidelberg war durch den nationalsozialistischen Lehrstuhlinhaber für Philosophie und Pädagogik und späteren Rektor (1937-1938) top 6 Diktatur und ihre Folgen Es ist unfassbar, dass Menschen solche Grausamkeiten begehen konnten. Aber diese verbrecherisch-verblendete 'Aufzucht' im Kreise 'ihres Führers' verdient nicht diese Bezeichnung. Es bleibt ein Schandmal. Genauso hat Stalin seine psychopathischen Visionen ausgelebt, wie jeder Diktator. Ein Beispiel: Die deutsche Okkupation von 1941 bis 1944 bleibt in Litauen stets in Erinnerung. Was die Nazis in den baltischen Ländern nicht deportiert oder erschossen hatten, wer nicht hungers krepiert war, wer nicht geflüchtet, kam in den Gulag. Das gilt ebenso für die Widerstandskämpfer gegen die sowjetische Okkupation. Über 200.000 Litauer der damals ca. 2,5 Millionen Einwohner blieben in Sibirien verschollen. In Vilnius lebten am 24. Juni 1941, dem Tag der Besitzergreifung, knapp 170.000 Menschen, davon ca. 75.000 Juden, und noch zusätzlich über 135.000 in ganz Litauen. Anfang September begannen die ersten Erschießungen tausender Juden in Ponar, einem Ort am Rande Vilnius', inzwischen Stadtgebiet. Zugleich erfolgte die Ghettoisierung in zwei Ghettos, die durch die heutige Vokie.i. gatv. (Deutsche Straße) geteilt waren. In das Altstadt-Ghetto wurden anfangs ca. 11.000 Juden eingepfercht, in das große ca. 19.000. Wer für die Besatzer als Arbeitskraft 'wertlos' war, wurde in Ponar erschossen. Eine alte Kultur mit eigenen Bildungsstätten, eigenen Zeitungen, Bibliotheken, eigenem Theater, Buchdruck unterlag dem Holocaust innerhalb zweier Jahre bis zur Auflösung im Sommer 1943, danach begann die ausschließliche Deportation in die Konzentrationslager wie Auschwitz. Unter 10% (ca. 4000-5000) überlebten. Weitere 50 Jahre sowjetischer Besatzungszeit zerschlug endgültig die jüdische Kultur und die Renaissance des geistigen und geschäftlichen Lebens, die zerstörte Große Synagoge und der jüdische Friedhof wurden 'eingeebnet', über 450 Jahre jüdische Tradition vernichtet. Im kleinen Ghetto, d.h. im Zentrum der Altstadt, steht heute zur Erinnerung eine Stele des berühmtesten jüdischen Sohns dieser Stadt, der "Gaon von Vilnius" (Weise von Vilnius), Rabbiner, mit eigentlichem Namen Elijah Ben Salman (17201797). Er symbolisiert eine Zeit, in der in Vilnius über 100 Synagogen das Stadtbild zierten. Seinen Namen trägt auch das Vilna Gaon Jewish State Museum. Vilnius galt schon um 1900 mit ca. 65.000 Juden als das 'Jerusalem des Ostens'. Etwa 70 Betschulen und 5 Synagogen prägten neben ca. 70 Türmen von Kathedralen, Kirchen und Klöstern das Stadtbild, berühmte Juden lebten in dieser Stadt, deren Ghetto total zerstört wurde. Heute leben etwa 3000 jüdische Einwohner, die meisten aus den U.S.A. zurückkommend, wieder in diesem Teil einer Altstadt, in der ca. 150.000 Menschen das Leben teilen, eine Stadt der Renaissance- und Vilnenser Barockbauten, die zum Weltkulturerbe erhoben wurde. Es gibt in Litauen wieder die ersten beiden sanierten und restaurierten Synagogen. Die ZEIT-Stiftung hat ein großes Projekt in Marijampole finanziert. Jascha Heifetz besuchte die Musikschule, und Leonard Bernstein war seit Anfang 1990 eng mit der Musikakademie verbunden, die ihm die Ehrendoktorwürde verlieh. Ihre Namen stehen für eine tradierte jüdische Kultur hoher Wertschätzung. top 7 Conclusio Enkulturation, die Hinführung zu den kulturellen Werten der Gesellschaft, sie gilt als wesentlicher Anteil einer Bildung und Erziehung zum Frieden, als Prozess lebenslangen Lernens, die drei LLL der EU, die auch für Life-Long- Learning stehen. Diesem Prozess des Voranbringens auf wissenschaftlicher Ebene und der Umsetzung in der Praxis sieht sich der Weltbund stets verpflichtet. Hermann Röhrs hatte einen Anfang mit der Friedensschule initiiert. Sein Engagement soll in Gedenken an ihn im Weltbund fortgesetzt werden. Alle noch existierenden reformpädagogischen Schulgründungen standen und stehen für einen Wechsel von Wissensvermittlung zu eigenständigem Entscheiden und tragen somit wesentlich zum sozialen Wandel als adaptativgenetischen Prozess einer gesellschaftlichen Umgestaltung bei, die damit beginnt, dass gleiche Rechte für alle schon in der Schule gelten und die leidige Disziplindebatte, seit Bernhard Buebs (geb. 1938) "Lob der Disziplin" (2006), ehemaliger Direktor der Schule Schloss Salem (gegründet 1920 durch Kurt Hahn [1886-1974]), wieder Modetrend, überhaupt kein Thema sein darf, über das es sich zu diskutieren lohnt. Fairerweise sei auch auf die Gegendarstellung des von Wir müssen unsere Schule 'denken' und entdecken im Sinne einer 'Schule als Vorbereitung auf das Leben', einer Bildungsstätte der 'freien geistigen Tätigkeit/ Arbeit', die zu Selbsttätigkeit, Autonomie und Verantwortung befähigt (vgl. Hugo Gaudigs 1922 im Auftrag des Zentralinstituts für Erziehung und Unterricht herausgegebenen Band "Freie geistige Schularbeit in Theorie u. Praxis"), will meinen Freiheit nicht als Freiheit für sich, Egozentrismus, Narzissmus, sondern als Chance zur Gestaltung von Lebensperspektiven, Lebenskunst in einer demokratischen Zivilgesellschaft. Diese Freiheit beinhaltet auch, sich zur Disposition stellen zu können, zuzugeben, dass man Fehler macht, aus diesen lernt, anderen Menschen präventiv oder interventiv zur Seite steht. Vorbilder werden damit kein Quäntchen Autorität verlieren, sondern in der Achtung des Anderen steigen, tragen sie doch auch ein Stück dazu bei, dass Eskalation vermieden werden kann. Dies ist ein Stück weiter gelebtes reformpädagogisches Bildungsgut und 'Grundaxiom' ("Das Grundaxiom des Bildungsprozesses und seine Folgerungen für die Schulorganisation", 1917) im Verständnis Der Humanist, Enzyklopädist, Pansophist, Theologe und Pädagoge top 8 Beispiele freiheitlichen Denkens Für diese Postulate steht ebenfalls die reformpädagogische Bewegung, insbesondere der Weltbund als Förderer von Initiativen einer Selbstbestimmung des Menschen, als Unterstützer erlebnispädagogischer Initiativen, als pädagogischer Mittler zwischen Kind und Erwachsenem, als Katalysator eines besseren Umgangs und Internalisierer für Gleichheit und Brüderlichkeit unter den Menschen, als Ermahner, Andersartigkeit anzuerkennen, ohne Gewalt und Aggression zu entwickeln, darüber zu reflektieren im Sinne von gegenseitigem Verstehen, Abbau von Hass, das personale Du im Anderen zu sehen, wie es Martin Buber lebte, Liebe zu entwickeln ohne Eigenliebe und Narzissmus, Liebe als Grundbasis pädagogischer Bindung. Der schändlichen Verschleppung von Andersdenkenden und der Ausgrenzung von Menschen anderer Nationalität oder Glaubens, insbesondere Juden, Roma und Sinti, mit einer großen geistigen Tradition und bedeutenden Kultur, mit vielen berühmten Namen, Genies, die zu einer unglaublichen und durch nichts zu rechtfertigenden Abschlachtung von Menschen durch inhumane Verbrecher führte, hätte einer schon damaligen sofortigen Gegensteuerung bedurft, um diesen Holocaust zu verhindern. Somit bleibt die Frage im Raum, warum nicht mehr Menschen sich gegen den Nationalsozialismus erhoben haben. Aber der Mensch benötigt, um 'zum Menschen gebildet und erzogen zu werden' (J.A. Comenius, I. Kant [1724-1804]), wohl auch eine Erziehung zur Zivilcourage. Mein Patenonkel Hans-Jürgen Frhr. v. Rosen trug als junger Hauptmann i.G. im Führerhauptquartier (Wolfsschanze), neben Oberst i.G. Claus Schenk Graf v. Stauffenberg (1907-1944) gehend, die Sprengladung in einer ledernen Aktentasche. Ich habe ihn nach seiner Flucht noch in selbiger Nacht (20./21. April 1944) über die Ostsee nach Schweden, um der geplanten Exekution am 21. April 05.00 Uhr zu entgehen, öfters besucht und lernte daraus: Das Vergangene lässt uns einerseits verzweifeln, aber das Erfahrungslernen, die Lernprozesse, die wir daraus gewonnen haben, lassen uns hoffen, dass so etwas nie wieder passieren möge. Eine gute Politik ist immer das Ergebnis einer guten Erziehung, einer Erziehung zu Humanität und Zivilcourage. Die Reformpädagogik hat durch ihre Freiheit des Denkens einen wichtigen Meilenstein gesetzt. Diese vom Weltbund in seinen Zielsetzungen verankerte Philosophie ist ein wichtiger Baustein im Gefüge menschlichen Zusammenlebens, Integration, die die Migrationsproblematik einschließt, die eigentlich keine Problematik mehr sein darf. Sie ist der Promotor für gegenseitige Akzeptanz und für ein Zusammenleben in Humanität, der Entwicklung eines Wir-Gefühls. Dass wir danach handeln müssen, ist eine Conditio sine qua non, und dies sollten wir aus Auschwitz und all den anderen Schrecken des Nationalsozialismus' gelernt haben. Meine Gedankengänge enden mit Johann Wolfgang v. Goethes (1749-1832) "Faust: Der Tragödie erster Theil" (Goethes Werke, Fünfter Band, S. 25, gedruckt in der Cotta'schen Buchhandlung, Stuttgart 1866): "Doch werdet Ihr nie Herz zu Herzen schaffen, Wenn es Euch nicht von Herzen geht." top
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