Übersetzer/Translator:


News | Archiv | Bildungsserver | Blog | Forum | Link | Publikationen | Suchen | Über uns | Videos

Narzissmus und Selbstinszenierung in Social Media


- Zeit für einen Perspektivwechsel der Nutzung?!




vorgelegt von
Elvira Tschense


Erstkorrektor: Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Gerd-Bodo von Carlsburg

Zweitkorrektor: Dr. phil. M.A. AOR Helmut Wehr


Heidelberg, den 21.12.2016


Inhalt

Einleitung
1. Medien im Wandel
1.1 Digitalisierung/Mediatisierung
Virtuell und real: ein Gegensatz?
1.2 Web.2.0
1.2.1 Social Media
1.2.2 Social Network Sites (SNS) und Online Communities
1.2.3 Exemplarische Kommunikationsinstanzen aus der Lebenswelt Jugendlicher:
     Facebook, WhatsApp, Instagram und Snapchat
1.2.4 Exkurs: Lurking - unterschiedliche Partizipationsgrade in virtuellen Gemeinschaften
1.3 Digital Natives vs. Digital Immigrants?!
Zwischenfazit
2. Sozialisation 2.0
2.1 Kulturraum 2.0
2.2 Identität und Soziale Netzwerke
2.2.1 postmoderne Bedingungen
2.2.2 Heiner Keupps Identitätsmodell
2.2.3 Kohärenz
2.2.4 Identität durch Narration
2.2.5 Ein symbolisch-interaktionistischer Zugang zu personaler Identität (George Herbert Mead)
Zwischenfazit
3. Selbstdarstellung in Social Media
3.1 Identitätskonzept Goffmann- Warum stellen wir uns selber dar?
3.2 Selbstdarstellung in Social Media durch Selfies
Selfies
3.3 Selbstinszenierung
Zwischenfazit
4. Narzissmus im Cyperspace?!
4.1 Der Narzissmusbegriff
4.2 Selbstdarstellung versus Narzissmus
Zwischenfazit
5. Perspektivwechsel: Identitätsarbeit und Selfies
5.1 Bedeutung der Medien für die Persönlichkeitsentwicklung
5.2 Medien als essentieller Teil der Bildung
5.3 Der Medienbegriff
5.4 Partizipation und Engagement im Netz
5.5 Herausforderungen für die Medienbildung
6. Beschreibung und Auswertung des Fragebogens zum Thema Social Media
7. Fazit
Literaturverzeichnis
Fußnoten



Einleitung


Der große bekannte, amerikanische Denker und Literat Robert Anton Wilson unterscheidet zwischen "neophoben" und "neophilen" Menschen. Die neophoben Menschen werden durch das Neue und Unbekannte immer wieder in Angst versetzt, während die neophilen Menschen dem Neuen und Unbekannten jeder Zeit mit Neugier und Lust gegenüber treten. (vgl. ebd., zitiert nach Urchs/Cole 2013, S. 27) Unabhängig davon, ob wir die Veränderungen unserer Welt in den letzten Jahrzehnten positiv oder negativ bewerten, durchleben wir alle zusammen eine radikale Veränderung durch die Phänomene der Digitalisierung und Vernetzung.

Digitalisierung und Vernetzung bestimmen unser ganzes Leben. Die Art, wie wir leben, arbeiten, einkaufen und unsere Freizeit gestalten, ja, insbesondere die Art, wie wir kommunizieren hat sich grundlegend verändert. Diese fundamentalen Veränderungen schließen kaum noch einen Lebensbereich aus und es ist fast ein Ding der Unmöglichkeit, sich diesen Veränderungen zu entziehen. Die digitale und die reale Welt durchdringen sich immer mehr und beide verändern sich mit einer rasanten Geschwindigkeit. Unser gesellschaftliches und unser persönliches Leben ist ebenfalls von den Veränderungen der Digitalisierung und Vernetzung betroffen, sodass eine Rückentwicklung dieser Phänomene undenkbar ist: "Wenn technische und wirtschaftliche Entwicklungen erst einmal das gesellschaftliche wie das persönliche Leben tiefgreifend verändert haben, dann lassen sie sich kaum noch ungeschehen machen." (Urchs/ Cole 2013, S. 28) Das Rad der Geschichte lässt sich nun einmal nicht zurückdrehen. Wir leben in einem digitalen Zeitalter. Durch das zeitgenössische Phänomen der Digitalisierung ergeben sich viele Chancen in unserer Lebensführung.

In dieser Arbeit soll besonders auf die Möglichkeiten der Vernetzung und der Kommunikation über Social Media eingegangen werden, denn: " Der Mensch ist ein Tier, das dank seiner originären Entwicklung in ein Netzwerk sozialer Beziehungen erst die Kompetenzen entwickelt, die ihn zur Person machen." (Habermas, Jürgen S.17, zitiert nach Theunert 2006, S. 7) Diese Vernetzung nimmt mit der Weiterentwicklung des Internets zum Web 2.0 ganz neue Dimensionen an. Doch warum gibt es noch immer so viele Gegner und Kritiker des Social Webs?

"Ego am Stiel"[1], "Selfies entlarven Narzissten"[2], "Generation Selfie: wir sind eigentlich krank"[3] und "Hassobjekt-Selfie Stick"[4] diese und weitere Onlineartikel rücken die Selbstdarstellung in Social Media in ein sehr negatives Licht. Artikel in dieser Art verweisen häufig auf Studien (z.B. die Selfie- Studie der Ohio State University), die Zusammenhänge von Narzissmus und psychischen Problemen mit dem Posten von Selfies belegen sollen. (vgl. Jiménez 2016) Haben wir uns zu einer Generation aus Narzissten und Egoisten entwickelt?

"Wir leben im Zeitalter des Selfies". (Saltz 2015, S. 32) Junge Menschen stellen sich selbst in Sozial Media dar. Diese Fotopraxis ist zu einer alltäglichen Gewohnheit geworden. Selbstinszenierung in Sozial Media ist im öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs sehr umstritten. Die wohl häufigste Art der Selbstdarstellung im Netz ist das Posten von Bildern. Bei diesen Bildern handelt es sich weitestgehend um Fotos, die Menschen von sich selbst schießen, indem sie die Frontkamera des eigenen Smartphones auf ihr Gesicht richten. Millionen neue Selfies erscheinen täglich auf Social Network Sites und sind aus dem Alltag des Konsumierens und Produzierens von Bildern nicht mehr wegzudenken. (vgl. Bering/Niehoff 2013) Fast jede Gelegenheit wird genutzt, um ein Selfie zu machen. Die Orte unseres Alltags halten wir auf Selfies fest, sei es im Fitnessstudio, auf dem Schulhof, im Urlaub oder einfach zu Hause im Badezimmer.

Die wohl gängigste Kritik an Selfies ist der dahinter vermutete Narzissmus. Selfies werden in der …ffentlichkeit häufig negativ bewertet, da ihnen eine Verstärkung von narzisstischem Verhalten oder gar der Verlust von sozialen Fähigkeiten Jugendlicher unterstellt wird. Das Phänomen Selfie wird in jüngster Zeit von PsychologInnen, MedienwissenschaftlerInnen, PhilosophInnen und KunsthistorikerInnen erforscht und es entstehen neue Blickwinkel auf diese beliebte und sehr populäre Fotopraxis. Die Forschungen rund um das Phänomen Selfie liegen jedoch noch in den Anfängen. Warum werden Selfies überhaupt gemacht und welche Bedeutungen haben diese Selbstporträts für die Kunst, die Kultur und für das gesellschaftliche Leben? Mit diesen Fragen beschäftigt sich zurzeit die Fachliteratur.

Die vorliegende Arbeit widmet sich dem Zusammenhang der Selbstdarstellung in Social Media und der Identitätsbildung junger Erwachsener und bearbeitet die Leitfrage:

Welchen Beitrag leisten Social Media zur Identitätskonstruktion Jugendlicher in der postmodernen Gesellschaft?

Der erste Teil dieser Arbeit beschäftigt sich mit dem Medienwandel. Zeitgenössische Phänomene wie Digitalisierung und Mediatisierung werden hier dargestellt. Der vermeintliche Unterschied zwischen virtuell und real wird zu Beginn diskutiert, bevor die Weiterentwicklung des Internets zum Web 2.0 beschrieben wird. Zur Rüstung der weiteren Fragestellungen werden zunächst die Begriffe Social Media, Online Communities und Social Network Sites (SNS) erklärt.

Der zweite Teil der Arbeit setzt sich mit dem Internet als Sozialisationsinstanz auseinander. Unter anderem werden hier die Identitätsmodelle von Heiner Kneupp und von George Herbert Mead herangezogen. Das Phänomen der Selbstdarstellung wird mit Ansätzen der postmodernen Identitätskonstruktion in Verbindung gebracht.

Die Selbstdarstellung in Social Media wird im dritten Teil der Arbeit auf Grundlage des Identitätskonzepts von Goffmann analysiert. Auf das Phänomen der Selbstinszenierung und die Fotopraxis Selfie wird hier vertieft eingegangen.

Der Fokus des folgenden vierten Teils liegt auf der Abgrenzung des Narzissmusbegriffs zur Selbstdarstellung. Hierzu wird der Narzissmusbegriff zunächst ausführlich erläutert und das Phänomen der Selbstdarstellung, insbesondere über Selfies wird neu bewertet. Diese Neubewertung veranlasst im anschließenden fünften Kapitel einen Perspektivwechsel, welcher mit einer positiven Identitätsarbeit durch Selbstdarstellung (Selfies) begründet wird. Zum Abschluss wird im letzten Kapitel noch eine, im Rahmen dieser Arbeit durchgeführte, Fragebogenstudie vorgestellt und ausgewertet


1. Medien im Wandel

1.1 Digitalisierung/Mediatisierung

Informations- und Kommunikationstechnologien entwickeln sich mit einer rasanten Geschwindigkeit in Bezug auf die Wahrnehmung und Nutzung. Das Internet ist in unserem Leben fest integriert. Kommunikation, Organisation und Prozesse der Informationsbeschaffung sind gekennzeichnet durch tiefgreifende Änderungen. Die jüngste Weiterentwicklung des Internets, welche unter den bekannten Begriffen Web 2.0 und Social Software bezeichnet werden, treten als partizipative Nutzungsformen und virtuelle Gemeinschaften stärker denn je in den Mittelpunkt. (vgl. Kahnwald 2013, S. 11) Wir unterliegen folglich einem gesellschaftlich- technologischen Wandel. Das Medium Internet bietet zahlreiche Kommunikationsformen, welche sich auf das Leben in der heutigen Gesellschaft enorm auswirken. Es entstehen zunehmend netzbasierte virtuelle Gemeinschaften. Diese werden unterstützt durch die Entwicklung der Technologien. Die Mitglieder der virtuellen Gemeinschaften im Internet haben sowohl Zugang zu asynchronen Kommunikationstechniken (Email, Mailinglisten, Foren, Wiki-Technologien usw.), wie auch zu synchronen Kommunikationstechnologien (Chat, Instant Messanging, etc.). Bei den synchronen Kommunikationstechnologien nehmen alle Kommunikationspartner gleichzeitig teil, sodass eine Kommunikation in Echtzeit ermöglicht wird, während bei den asynchronischen Kommunikationstechnologien in versetzter Zeit kommuniziert wird. (vgl. ebd.) Aus der fortschreitenden Mediatisierung resultiert die Annahme, die heutige Generation junger Menschen vordergründig als Mediengeneration zu betrachten. Besonders gängig sind die Bezeichnungen Generation Internet oder Generation Smartphone (vgl. ebd.)

Im Fachdiskurs wird die heutige Generation junger Menschen mit dem Begriff Digital Natives betitelt. Dieser Begriff hat sich durchgesetzt und beschreibt die Generation der jungen Menschen, die in die digitale Welt hineingeboren wurden und in ihr aufgewachsen sind. Im Gegensatz dazu werden die Menschen, die mit analogen Medien aufgewachsen sind und erst im höheren Alter mit den neuen Medien konfrontiert wurden, als Digital Immigrants bezeichnet. Diese Abgrenzung wird im Verlauf der vorliegenden Arbeit noch genauer beschrieben und diskutiert.


Virtuell und real: ein Gegensatz?

Wir leben in einer digitalisierten Welt. Im Zeitalter des Web 2.0 erschaffen wir unsere Welt auch digital übers Internet. Aber bedeutet dieser Wandel, dass wir tatsächlich in zwei voneinander getrennten Wirklichkeiten leben? Müssen wir immer den Spagat machen zwischen der digitalen und der realen Welt schaffen? Es werden virtuelle Gemeinschaften im Social Web konstruiert. Das Konzept des Virtuellen wird aber sehr unterschiedlich bewertet und definiert. Proulx und Latzko-Toth (2015) stellen drei grundlegend unterschiedlich vertretende Sichtweisen auf Virtualität vor. Sie fassen die verschiedenen Sichtweisen in drei Gruppen zusammen. Diese Gruppen bezeichnen sie als "paranoid", "utopisch", oder "postmodern". (vgl. ebd., zitiert nach Kahnwald 2013, S. 18)

Die paranoide Sichtweise versteht unter Virtualität eine Simulation des Realen. Es wird zwischen künstlicher und natürlicher Realität unterschieden. Die Virtualität wird also der Realität als Kopie untergeordnet. (vgl. Doel/Clarke 1999, S. 263). Die Virtualität wird bezeichnet als "Simulakrum des Realen" (Baudrillard 1978, zitiert nach Kahnwald 2013, S. 18) Mit Aufkommen des Internets entwickelte sich auch sehr schnell die kritische Position, dass eine Verdrängung echter Bindungen durch die einsame digitale Kommunikation via Web drohe:

    "It is really sensible zo suggest that way to revitalize community is to sit alone in our rooms, typing at our networked computers and filling our lives with virtual friends? " (Turkle 1995, S.235, zitiert nach Kahnwald 2013, S. 19)

Die utopische Sichtweise setzt das Virtuelle zum Realen in das gleiche Verhältnis, wie das Perfekte zum Imperfekten. Während die reale Welt uns Grenzen setzt, sind in den virtuellen Welten alle Optionen gegeben:

    "a new technology will finally and truly deliver us from the limitations and the frustrations of the imperfect world, [...] The utopian space- the Net, the Matrix- will be a nowhere- somewhere in which we shall be able to recover the meaning and the experience of community." (Robins 1996, S. 2)

Etwas ironisch beschreibt Robins hier die utopischen Erwartungen an die Social Media. Den neuen Technologien wird eine befreiende Wirkung aus der imperfekten Welt und ihrer Bedingtheit zugesprochen.

Die dritte, als postmoderne bezeichnete Ansicht, stellt sich ganz klar gegen die zu vor dargestellte versimpelte Dichotomie des Virtuellen und Realen.

    "Perhaps the most important error [...] is the reduction of reality to actuality and virtuality to possibility: as if the actual and the virtual ere the given and the pregiven [...] it is the need to rethink spacetime rather than any newfangled technologies, which poses the most pressing challenge. (Doel/ Clarke 1999, S. 62, zitiert nach Kahnwald 2013)

Die utopische und die paranoid Perspektive stellen die virtuelle Welt der realen Welt gegenüber. Sie klassifizieren in Natur und Technik. In diesen beiden Konzepten determiniert noch die Technologie, jedoch wird die Wechselwirkung von Kultur und Technik völlig außer Acht gelassen. Doch Stone (1991) betont genau diese wechselseitige Bedingung von Kultur und Technik:

    "I believe that technology and culture constitute each other, studying the actors and actants that make up our lively, troubling and productive technologies tells me about the actors and actants that make up our culture." (Stone 1991, S.2, zitiert nach Kahnwald, S. 20)

Die gleichen Subjekte, die für den Fortschritt der Technologie verantwortlich sind, beeinflussen auch die Kultur. Auch Ostwald (1997) betont, dass der Unterschied zwischen der realen und der virtuellen Welt, wenn dieser überhaupt existiert, dann eher sehr gering ist. (vgl. ebd. S. 127) Ostwald fordert dazu auf, den Fokus auf die verschwommenen Grenzen zu richten: "where the boundaries between the physical and the virtual are completely blurred" (vgl.ebd.). Folglich ist die Offline und die Online Welt nicht so separat zu betrachten. Auch Wellmann und Gulia (1999) vermeiden die Betrachtung der virtuellen Gemeinschaften als ein isoliertes Phänomen: "The Net is only one of many ways in which the same people may interact. It is not a seperate reality." (vgl.ebd.S. 169, zitiert nach Kahnwald 2013)

Diese separate Realität, wie sie in anderen Sichtweisen immer wieder betont wird, existiert demnach gar nicht, denn es handelt sich ja immer noch um die gleichen Personen, die sowohl offline, wie auch online miteinander interagieren und kommunizieren. Das Phänomen der virtuellen Gemeinschaften, wie sie auf Social Media gepflegt werden, ist nichts komplett Neues. Die Kommunikation der Subjekte wurde schon immer medial unterstützt, geleitet durch die Intention einer orts- und zeitunabhängigen Kommunikation. "Die neu geschaffene Trennung zwischen virtuellen und realen Gemeinschaften erweist sich vor diesem Hintergrund als eine künstliche, die der vielfältigen Lebensrealität von Internet- Nutzern nicht gerecht wird." (Kahnwald 2013, S. 20)

Eine Existenz von zwei verschiedenen Welten, die sich durch Kennzeichen offline und online unterscheiden, lassen sich auf Grund der Teilhabe der selben Subjekte in diesen Phänomenen ausschließen, jedoch kann nicht abgestritten werden, dass die Kommunikation und die Wahrnehmung sowie die Qualität von Gemeinschaft sich im Zuge der Entwicklung des Social Web verändert haben. (vgl. Kahnwald 2013, S. 20) Doch diese Veränderungen bringen viele Vorteile mit sich. So ist es beispielsweise in unserm Zeitalter ganz einfach möglich, mit vielen UserInnen gleichzeitig zu kommunizieren.

In diesem Kapitel wurde diskutiert, ob die so verbreitete Opposition von realer und digitaler Welt vertretbar ist. Um die irrtümliche Betrachtung der Online Kommunikation als separates Phänomen zu unterstreichen, widmet sich auch eine Frage aus dem, im Rahmen dieser Arbeit erstellten, Fragebogen diesem Bereich: Die Jugendlichen wurden befragt, wie anfällig sie für Beleidigungen innerhalb der Social Media sind. Trennen Sie die Welten und fühlen sich nicht angegriffen, wenn Sie nur im Netzt beleidigt werden? Oder ist es für die Jugendlichen tatsächlich die gleiche Welt?

Abbildung 1: Bewertung von Konflikten in Social Media gegenüber der realen Welt


Bei dieser Frage kreuzten nur acht von 70 befragten Jugendlichen die Antwortmöglichkeit a an. Nur circa 11% der Jugendlichen trennten die virtuelle von der realen Welt, während der größte Anteil, immerhin 87%, besonders großen Wert darauf legt, dass die eigenen Freunde sich im Netz genauso verhalten, wie im realen Leben. Knapp 83 % der befragten Jugendlichen fühlen sich immer genauso angegriffen, da es sich schließlich auch im Netzt um ihre eigene Person handelt.

Wie bereits deutlich dargestellt, sind im Netz und in der realen Welt die gleichen Subjekte vertreten. Hinter jedem User im Social Web verbirgt sich schließlich eine echte Person, mit all ihren Interessen und Bedürfnissen. Folglich steht die Bedeutung der Sozialisation der Medien bei Sozialisationsprozessen außer Frage.


1.2 Web.2.0

Das Internet nimmt eine zentrale Rolle bei der gesellschaftlichen Entwicklung ein. Technik, Nutzung und Gewohnheiten verändern und erweitern sich stetig. Die Erweiterung des, World Wide Web« zu dem sogenannten Web 2.0 zieht viele neue Möglichkeiten der Internetnutzung mit sich. (Magenheim und Meister 2011) Neue technische und infrastrukturelle Strukturen beeinflussen die Verwendungsgewohnheiten der NutzerInnen. Sinkende Verbindungs- und Hardwarekosten und eine vereinfachte Handhabung von Technik und Software haben dazu geführt, dass das Internet für viele Menschen zum alltäglichen Begleiter geworden ist. Allgemein lassen sich die Neuerungen zusammenfassen als Veränderungen der angebotenen Dienste und Veränderungen der Nutzungsmöglichkeiten auf der Anwenderseite. (vgl. ebd.) Der Begriff Web 2.0 wurde im Jahr 2004 auf der gleichnamigen Konferenz von O'Reilly (O'Reilly, 2005) geprägt. Ziel dieses neuen Begriffs war es, auf eine neue Entwicklung aufmerksam zu machen. (vgl. Stanoevska-Slavbeva) Das Web 2.0 hat sich im Vergleich zu dem früheren Web durch eine höheres Pensum an Interaktivität, eine aktive Nutzerbeteiligung und ein gemeinsames Erstellen von Datenbeständen ausgezeichnet. (vgl. Tapscott 2009, zitiert nach Magenheim und Meister 2011) Die sozialen Netzwerke haben sich mit der Entwicklung des Web 2.0 etabliert. NutzerInnen konsumieren die Inhalte des World Wide Webs nicht mehr vorrangig passiv, sondern gestalten aktiv eigenes Material. Neu an dem Web 2.0 ist, dass die UnserInnen das Internet mitgestalten und über das Internet kommunizieren. Diese Erweiterung macht das Internet zu einer Mitmachplattform und ist sehr leicht zu bedienen.

    "Ohne technisches Vorwissen oder gar Programmierkenntnisse kann der User eigene Beiträge publizieren oder Kommentare veröffentlichen, Fotos und Videos online stellen oder sich mit anderen Unsern virtuell vernetzen." (Mara 2009, S. 15) Die Hauptintention des Web 2.0, die Unser zu aktiven Mitgestaltern des Internets werden zu lassen, wird insbesondere auf Social Network Seiten verwirklicht: "Persönliche Profile werden angelegt, gepflegt und in periodischen Abständen aktualisiert; durch Pinnwandeinträge, Mitgliedschaften in Gruppen und die Nutzung sonstiger Community-Features nehmen User aktiv im Geschehen teil." (Mara 2009, S. 17)

Weiteres Merkmal des Web 2.0 ist die Mobilität. Durch eine weitreichende, flächendeckende Funkvernetzung ist es nun den NutzerInnen möglich, die mobilen Endgeräte wie Laptops, Smartphones und Tablets an beliebigen Orten mit Funkverbindung zu verwenden. Neue mobile Netztechnologien, welche eine schnellere digitale Datenübertragung ermöglichen und eine zunehmende Funktionsvielfalt der Endgeräte implizieren eine Ausweitung der Arbeits- und Lernräume. Arbeits- und Lernorte sind nun variable wählbar.

Auf Grund der vielen Facetten ist es schwierig, das Phänomen Web 2.0 mit einem Satz zu definieren. Allgemein lässt sich festhalten, dass die Bezeichnung Web 2.0 sowohl eine Reihe von Technologien und Anwendungen bezeichnet, als auch eine Reihe maßgeblicher Verhaltensänderungen vom Internetnutzern. (vgl. Cyganski/Hass 2007, zitiert nach Stanoeveveska- Slabeva) Eine Kombination aus verschiedenen technischen Entwicklungen führte zur Entstehung von neuartigen Plattformen und Communities. Im Unterschied zu Web 1.0 Plattformen, gestalten die Web 2.0 Plattformen meist keine eigenen Inhalte. Sie Plattform wird den Usern zur Verfügung gestellt, allerdings hat jede Plattform bestimmte Regeln, Module und Funktionalitäten die diese Plattform definieren. (Högg et al.. 2006, zitiert nach Stanoveska-Slabeva) Aus der Sicht der User ist das Internet zu einer Mitmachplattform geworden , es handelt sich weniger um eine reine Informationsquelle (vgl.ebd) Die User werden zur aktiven MitgestalterInnen der Inhalte , durch eine neue Art von Interaktivität rückt der Nutzer und seine Beiträge in den Fokus. Die User des Web 2.0 haben die Möglichkeit Inhalte frei zu kreieren, diese online anderen Benutzern zur Verfügung zu stellen und zu bearbeiten. Wir halten also fest, dass sich das Web 2.0 durch neue " Mitmach- Plattformen für User Generated Content", durch neuartige interaktive Kommunikationsinstrumente und durch eine veränderte Rolle des Nutzers hin zu einer aktiven und extrovertierten Verwendung des Web 2.0. auszeichnet. (vgl. Stanoevska- Slabeva)


1.2.1 Social Media

Ein sehr großer Bereich des Web 2.0 ist das "Social Web". Der Ausdruck Social Web lässt sich zum ersten Mal bei Howard Rheingold (1993) finden. (vgl. ebd., zitiert nach Ebersbach, Glaser, Heigl 2016) Dieser Begriff beschreibt nicht die Bereiche neuer Formate und Programmierungsstrukturen, sondern fokussiert soziale Strukturen und Interaktionen im Netz. Eine Definition liefert Hippner (2006), er verwendet den Begriff " Social Software". Unter dem Begriff sublimentiert Hippner "webbasierte Anwendungen, die für Menschen den Informationsaustausch, den Beziehungsaufbau und die Kommunikation in einem sozialen Kontext unterstützen."(vgl. ebd., zitiert nach Ebersbach, Glaser, Heigl) Es geht folglich um Programme oder dynamische Webseiten, die die Technik des Internets als Trägermedium verwenden. Hierbei liegt der Fokus nicht auf Verbindungen zwischen Servern oder Datenaustausch. Die UserInnen als Zielgruppe werden bei bestimmten zwischenmenschlichen Interaktionen unterstützt. Über das Internet wird Wissen ausgetauscht, Kontakte zu anderen UserInnen werden hergestellt und können über die Kommunikationstechniken der " Social Software" gepflegt werden.

Der Begriff "social" wird im Englischen mit "Gesellschaft" oder "gesellig" übersetzt. Social Media impliziert also eine gesellschaftliche und eine gemeinschaftliche Dimension. "Während sich Mitglieder einer Gesellschaft dieser aus rationalen Gründen und Zwecküberlegungen anschließen, überwiegt bei der Gemeinschaft ein emotionales Moment." (Ebersbach, Glaser, Heigl, S.31) Diese beiden unterschiedlichen Zielsetzungen sind im Social Web realisierbar. Social Software beinhaltet Programme und Anwendungen. So definieren Koch und Richter(2009, S.12) Social Software als "Anwendungssysteme[n], die unter Ausnutzung von Netzwerk- und Skaleneffekten, indirekte und direkte zwischenmenschliche Interaktion (Koexistenz, Kommunikationen, Koordinationen, Kooperation) auf breiter Basis ermöglichen und die Identitäten und Beziehungen ihrer Nutzer im Internet abbilden und unterstützen." (vgl. ebd., zitiert nach Ebersbach, Glaser, Heigl, S. 31) Zur Differenzierung sind unter Social Web ebenfalls die bereitgestellten Daten und die sozialen Vernetzungen der UserInnen untereinander subsumiert. Dabei sind die bereitgestellten Daten Grundlage für die Kommunikation der UserInnen über die Plattform. Ohne die Daten wäre ein kommunikativer Austausch nicht denkbar. Social-Web-Anwendungen funktionieren nur mit zugehöriger Community.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das "Social Web" aus webbasierten Anwendungen besteht, die für Menschen den Informationsaustausch, den Beziehungsaufbau und deren Erhalt/ Pflege, sowie die Kommunikation und die kollaborative Zusammenarbeit unterstützen. Diese Prozesse finden in einem gesellschaftlichen oder gemeinschaftlichen Kontext statt. Das Social Web lässt neue Daten entstehen und beinhaltet Beziehungen zwischen den Usern der Anwendungen. (vgl. Ebersbach, Glaser, Heigl, S. 32)

Hippner (2006) beschreibt Prinzipien, die generell in allen Anwendungen des Social Web vertreten werden:

  1. Im Mittelpunkt steht das Individuum beziehungsweise die Gruppe. Wesentlich sind die Funktionen der Kommunikation für eine Social-Web-Anwendung. Nahezu alle Angebote sind personalisiert, dies impliziert eine Zugänglichkeit zu den Aktionen der einzelnen UserInnen. Dieser Punkt unterscheidet das Social Web stark von herkömmlichen Programmen und Webseiten, welche rein anonym verwendet werden.

  2. Die Integration des Individuums in die Gruppe bildet die Grundlage. Die Mehrheit der Teilnehmer der Social- Web- Anwendungen investieren viel Zeit, Energie und Arbeit in den Aufbau der Community. Dieser Aufbau wird durch Teilnehmer, die sich nicht integrieren, gedrosselt. Deshalb werden Einzelgänger nicht gerne gesehen.

  3. "Personen, Beziehungen, Inhalte und Bewertungen sollen sichtbar gemacht werden." Aktionen, Daten und Zusammenhänge sind sehr transparent in Social Webs.

  4. Es findet eine "Demokratisierung" des Webs statt. Selbstregulation hat oberste Priorität, es existieren keine starren Verhaltensregeln oder Datenstrukturen. Die Inhalte werden von der Community selbstständig ihren Bedürfnissen angepasst, die Plattform wird zum Medium der Community.

  5. NutzerInnen, die Inhalte posten, welche von der jeweiligen Community gerne gesehen werden, bekommen eine positive Rückmeldung. Die einzelnen Beiträge werden bewertet und können so geordnet werden, dadurch wird die Freiheit der Selbstregulation auf einen bestimmten Rahmen beschränkt. "Es wird eine soziale Rückkoppelung beispielsweise in Form von social Ratings gegeben."

  6. Einzelne Information werden verknüpft und der Fokus liegt auf der dadurch entstehenden Struktur. "Erst, wenn die Beiträge verbunden und miteinander in Beziehung gesetzt werden, können die Inhalte ihre Stärke ausspielen." Durch diese Verknüpfungen findet der Aufbau eines kollektiven Wissens statt. (vgl.ebd., zitiert nach Ebersbach, Glaser, Heigl 2016)

1.2.2 Social Network Sites (SNS) und Online Communities

Social Networks sind soziale Netzwerke im Internet. Freunde, Bekannte oder Personen, die sich gegenseitig fremd sind, werden durch ein gemeinsames Interesse zusammengebracht. Netzwerke laufen über eine Plattform, auf der sich die Community- Mitglieder anmelden und ihr eigenes Profil erstellen können.

Social Network Sites (kurz SNS) bieten die Möglichkeit, Freunde, Follower, Menschen mit ähnlichen Interessen zu finden und so Kontakte herzustellen. (vgl. Röll, 2014) Es sind also webbasierte Angebote, die den UserInnen eine Selbstdarstellung über ihr eigenes Profil ermöglichen und darüber hinaus die Kontaktaufnahme zu anderen UserInnen unterstützen.

"Wo regelmäßig kommuniziert wird, entstehen soziale Verbindungen, Netzwerke oder Communitys" (Ebersbach, Glaser, Heigle, 2016 S. 191) Diese Formel lässt sich auch auf das Kommunikationsmedium Computer übertragen. Der Begriff "Community" meint ein Konzept, das die Beziehung einer Gruppe von Menschen beschreibt, welche ein gemeinsames Ziel verfolgen. Medium des Austausches dieser Menschengruppe ist eine computervermittelte Kommunikation, das Social Web. (vgl. ebd., S. 192)

Individuen treffen auch beispielsweise in der Straßenbahn oder einem Freizeitpark aufeinander, jedoch ist nicht jede Ansammlung von Menschen eine Gruppe. Auch die Menschenmengen in einem Zug haben gemeinsame Ziele und interagieren, aber es entsteht kein Zusammenhalt. Eine Gruppe definiert Schäfer(1999) folgendermaßen:

    "Eine soziale Gruppe umfasst eine bestimmte Zahl von Mitgliedern (Gruppenmitglieder), die zur Erreichung eines gemeinsamen Zieles (Gruppenziel) über längere Zeit in einem relativ kontinuierlichen Kommunikations- und Interaktionsprozess stehen und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit (Wir-Gefühl) entwickeln. Zur Erreichung des Gruppenziels und zur Stabilisierung der Gruppenidentität ist ein System gemeinsamer Normen und Verteilung der Aufgaben über ein Gruppenspezifisches Rollendifferenzial erforderlich." (vgl. ebd., S. 20f, zitiert nach Ebersbach, Glaser, Heigle, 2016)

Diese beschriebenen Merkmale einer sozialen Gruppe lassen sich definitiv im Social Web wiederfinden:

Zur Beurteilung der zeitlichen Kontinuität ist das Sozial Web noch zu jung, aber es lässt sich durchaus sagen, dass einzelne Projekte schon seit mehr als 10 Jahren beständig sind. Demzufolge lässt sich davon ausgehen, dass eine Kerngruppe existiert, die über einen längeren Zeitraum am Projekt beteiligt war.

Im Social Web ist die Kommunikation und Interaktion ein laufender Prozess, eine Anreihung von Funktionen bietet die Möglichkeit des Austausches über die Plattform.

Bereits formale Abgrenzungen wie Mitgliedschaften und Benutzerpseudonyme lassen die Gruppenmitglieder wissen, wer dazu gehört. Jedoch sind diese Kriterien leicht zu erfüllen und können daher nicht als hinreichendes Kriterium für eine Gruppe gesehen werden.

In zahlreichen Projekten des Social Webs lassen sich die Entwicklung von Traditionen und Gewohnheiten beobachten, welche teilweise auch kodifiziert werden. Die Nichteinhaltung des Regelwerks, wie beispielsweise bei Wikipedia wird sanktioniert, meist durch einen Ausschluss, oder einer Nichtbeachtung der folgenden Beiträge des betroffenen Teilnehmers.

Ein gemeinsames Ziel, an dem sich die Mitglieder orientieren, wird gewöhnlich auf einer funktionalen Ebene definiert: "Bilder sammeln, Wissen zusammentragen oder Links organisieren." Darüber hinaus kann nach Interessen oder sozialem Status definiert werden. (Studenten, Geschäftsleute, Künstler, usw.)

    "Eine Binnendifferenzierung der Aufgaben innerhalb der Gruppe ist vor allem bei komplexen Formen der Zusammenarbeit wie beispielsweise Kollaborationen zu beobachten." (Ebersbach, Glaser, Heigle, 2016, S. 192f)

Es lässt sich feststellen, dass durchaus einzelne Kriterien zur Entstehung einer sozialen Gruppe für die Mitglieder einer Online-Plattform zutreffend sind. Ein gewisses Maß an Intensität ist jedoch Voraussetzung und findet sich nur bei einem harten Kern der Mitglieder wieder.


1.2.3 Exemplarische Kommunikationsinstanzen aus der Lebenswelt Jugendlicher: Facebook, WhatsApp, Instagram und Snapchat

Wir alle kennen und nutzen sie größtenteils: Kommunikationsinstanzen und Plattformen zur Darstellung der eigenen Person. Zunächst kommunizierten wir via Internet an einem Rechner, gebunden an einem Ort, doch durch die neuste Entwicklung und durch die Verbreitung des Smartphones, nutzen wir alle diese Dienste auch mobil von unterwegs, an jedem Ort. Laut Statista beläuft sich der Anteil der SmartphonenutzerInnen in Deutschland, im April 2016 bereits auf 76%, während der Anteil beispielsweise im Jahre 2012 noch bei 32% lag. (vgl. Statista 2016, Anteil der Smartphone-Nutzer in Deutschland)

Bei der, im Rahmen dieser Arbeit erstellten, Fragebogenforschung, gaben 68 von 70 der befragten Jugendlichen im Alter von elf bis 16 Jahren an, dass Sie ein Smartphone besitzen.


Abbildung 2: Gerätebesitz Jugendlicher (11- 16 Jahre)


1.2.4 Exkurs: Lurking - unterschiedliche Partizipationsgrade in virtuellen Gemeinschaften

"Lurker (engl. to lurk, lauern, schleichen) ist eine Bezeichnung für passive, also nur lesende Teilnehmer einer Newsgroup, eines Forums oder einer Mailingliste. Der Begriff entstammt dem Netzjargon, ist jedoch auf andere gesellschaftliche Foren übertragbar. Viele irritiert es, wenn jemand alles mitliest, was sie schreiben, selbst aber nichts über sich preisgibt. Das führt dazu, dass "Lurker" oder "Lurking" unter Umständen abwertend gebraucht wird." (vgl. Lurker in Wikipedia)

Der Begriff Lurker stammt vom englischen "to lurk", ins Deutsche übersetzt; bedeutet das Verb (heimlich) lauschen. Im Zusammenhang mit internetbasierten Gemeinschaften werden als "Lurker" die Teilnehmer bezeichnet, die Nachrichten der anderen User lesen, selbst aber nur sehr wenige bis gar keine Beiträge posten. Wie Wikipedia verdeutlicht, wird dieser Begriff eher negativ assoziiert. Auch Merriam- Webster beschreibt: "LURK implies a lying in wait in a place of concealment and often suggest an evil intent." (vgl. .Merriam- Webster, zitiert nach Kahnwald, S. 36)

In der Fachliteratur herrscht eine tendenziell negative Sicht auf das Phänomen Lurking. Lurker nutzen ein gemeinschaftliches Gut, ohne selbst etwas zu der Community beizutragen, der Investitionsaufwand der einzelnen Nutzer sei ungleich verteilt. Die freie Verfügbarkeit der Informationen im Netz berge die Gefahr, dass die Motivation des Bereitstellens von Informationen für andere UserInnen sinke. (vgl. Kahnwald 2013, S.37)

Grundsätzlich wird Lurking eher negativ angesehen, doch wie zum Beispiel bei Stegbauer und Rausch (2001) kann allerdings auch eine sinnvolle Strategie für Neulinge in virtuellen Gemeinschaften darin erkannt werden. (vgl. ebd. S.49, zitiert nach Kahnwald) Der Blick auf Lurker ist also geteilt, positiv kann angerechnet werden, dass durch Lurker Ressourcen der jeweiligen Plattform geschont werden. Denn passives Mitlesen oder vorherige Recherche können doppelten Fragen oder unpassenden Themen vorbeugen.

    "On the one hand lurking is a way of getting to know the community and becoming an integral part of it [...]. On the other hand lurking is seen as a negative behavior that can jeopardize communities existence [...]" (Rafaeli/ Ravid/ Soroka 2004, S. 3, zitiert nach Kahnwald 2013)

Aus medienpädagogischer Sicht ist jedoch eine eher positive Sichtweise des Lurkings in Betracht zu ziehen. So kann das Lurking als ein Übergangsphänomen positiv gesehen werden.

    "die passiven Teilnehmer als strukturell notwendig aufgefasst, um ein ,information overloadÔ zu vermeiden. Sie gewährleisten damit die Bedingungen der Möglichkeit von KommunikationÔ und wären also unabdingbar notwendig zur Ermöglichung von Verständigung bei einem größeren Kreis von Teilnehmern" (vgl. Stegbauer 2000, S. 120, zitiert nach Kahnwald 2013, S. 38)

Eine Heterogenität in Bezug auf die Partizipation in Gruppen ist nicht nur ein bekanntes, zu erwartendes Phänomen, sondern erfüllt zugleich auch noch eine Funktion innerhalb des Informationsgehalts. Lurker stellen tatsächlich in den meisten Fällen die Mehrheit der NutzerInnen dar. (vgl. Kahnwald 2013, S. 39)

Die unterschiedlichen Nutzungsarten einer Plattform sind unter dem Gesichtspunkt der Persönlichkeitsentwicklung als ganz normal aufzufassen. Betont werden soll an dieser Stelle das wichtige Phänomen des "Delurking", gemeint ist die Entwicklung von einem Lurker zum Poster, also zum aktiven Teilnehmer. (vgl. Nonneke et al.2004, zitiert nach Kahnwald 2013, S. 39) Wengers (1998) beschreibt in seinem Konzept des sozialen Lernens in virtuellen Praxisgemeinschaften das Lurking als legitime periphere Partizipation. Diese Art des Handelns in virtuellen Gemeinschaften sei als lernrelevant zu bewerten. (vgl. ebd., zitiert nach Kahnwald 2013, S. 83) Das Konzept der legitimen peripheren Partizipation beschreibt die Möglichkeit, Informationen in einer virtuellen Gemeinschaft zu nutzen, ohne dabei selbst in der Pflicht zu stehen, eigene Beiträge zu posten. Neue Mitglieder( Novizen) starten häufig mit Lurking in eine neue virtuelle Praxisgemeinschaft, jedoch durchlebt nicht jeder Novize zwangsläufig einen Lernentwicklungsweg von der legitimen peripheren Partizipation hin zum vollen aktiven Nutzer. (vgl. ebd.)

Wenger beschreibt verschiedene Entwicklungswege in virtuellen Praxisgemeinschaften. Die Verlaufsbahnen von Identitäten können sich sehr verschieden gestalten. Periphere Entwicklungswege führen durch unterschiedliche Ursachen nicht zur vollen Mitgliedschaft. Es existieren nach innen und nach außen gerichtete Entwicklungswege. Die Entwicklungen als Insider beinhalten Veränderungen und Neuverhandlungen der eigenen Identität mit dem Wandel der Gemeinschaft. Darüber hinaus sind auch Entwicklungswege zu beobachten, die mehrere Praxisgemeinschaften miteinander verbinden. Durch das Durchlaufen unterschiedlicher Partizipationsgrade entstehen diese Entwicklungswege. Die folgende Abbildung stellt eine Übersicht der unterschiedlichen Verlaufsbahnen individueller Entwicklungen in (virtuellen) Praxisgemeinschaften dar:


Abbildung 3: Entwicklungswege in (virtuellen) Praxisgemeinschaften

In Anlehnung an Wenger 2000, S.219, zitiert nach Kahnwald 2013, S. 85


1.3 Digital Natives vs. Digital Immigrants?!

Bei der Auseinandersetzung mit dem Social Web trifft man zwangsläufig auf Begrifflichkeiten wie Digital Natives, Generation Y, Millennials oder NetGerneration. Dabei existiert die weit verbreitete Annahme von der Existenz einer homogenen Gruppe, die sich gravierend von der vorherigen Generation differenziere. Diese Generationshypothese ist weitverbreitet, in Deutschlands meistverwendeter Suchmaschine Google kam 2014 der Begriff "Generation Y" auf 153 Millionen Einträge und "Digital Native" auf 100 Millionen, "Millennial" auf 2,74 Millionen und "NetGeneration" auf 414.000 Einträge. (vgl. Kirschoff 2015) Die bisweilen unbewiesene These der Digital-Natives-Existenzbehauptung zieht eine hohe Resonanz hinter sich. In den Beiträgen zu diesen Begrifflichkeiten ist die Diskrepanz zwischen den Beiträgen, die eine Existenz dieser Generation beschreiben, zwischen den Beiträgen, die genau diese hinterfragen bemerkenswert:

    "Our analysis of the digital native literature demonstrates a clear mismatch between the confidence with which claims are made and the evidence for such claims. So why have these claims gained such currency? Put another way, why have these arguments repeatedly been reproduced as if they were supported by empirical evidence? An examination of the nature of the «debate« itself offers some clues." (vgl. Benett/Maton/Kervin 2008, S. 782, zitiert nach Kichhoff 2015)

Mit diesem Beitrag wiesen bereits die australischen Bildungsforscher Sue Bennett, Karl Maton und Lisa Kervin im Jahre 2008 auf die Diskrepanz der unterschiedlichen Behauptungen hin. Dabei sind sie als Wissenschaftler, die die Existenzbehauptung der Digital Natives kritisch hinterfragen, einer Minderheit angehörig.

Der Begriff "Digital Natives" lässt sich zurückführen auf den Epigonen der Social Media-Bewegung Marc Prensky. Die Darstellung Prenkys beruht auf der Differenzierung zwischen `Digital Natives` und `Digital Immigrants`. Er unterscheidet zwischen Menschen, die vor 1980 (Digital Immigrants) geboren wurden und den Personen, die nach 1980 (Digital Natives) zur Welt kamen. (Glaser/Palfrey 2008, S. 54, zitiert nach Kirchhoff 2015)

In Prenskys Ideengerüst wird eine Dichotomie von "Digital Natives" und "Digital Immigrants" konstruiert. Die jungen Erwachsenen nennt er " Digital Natives". Die Personen, die nicht mir der heutigen Computertechnologie aufgewachsen sind, betitelt Prensky als " Digital Immigrants". Er zieht mit seiner Auslegung Analogien zum linguistischen Konzept: " Our students today are all «native speakers` oft he digital language of computers, video games and the internet ." (vgl. ebd., zitiert nach Kirchhoff 2015, S. 47)

Schulmeister(2009) kritisiert in Prenskys Darstellung den Begriff "digital". Nach Schulmeister könne keine Person ein Digital Native sein, da unsere Sprache und unser Denken immer noch analog seien. Außerdem seien die Objekte im Internet nur in ihrer Form digital, der Inhalt und die Bedeutungen bleiben analog und real. Auch die Bedeutung Prenskys Metapher, dass die jüngeren Nutzer mehr von Technik verstünden als ältere Nutzer ergäbe keinen Sinn, denn diejenigen, die die Computer gebaut und Software entwickelt hätten, verfügen über ein wesentlich höheres Wissen, als diejenigen, die sich nur als bloße Nutzer mit der Software auseinandersetzen. Die Annahme, dass der Zeitpunkt der Geburt bestimmen soll, wie technikaffin, wie internetbegeistert und wie medienkompetent die Generation im Vergleich zu der vorherigen ist, ist unlogisch, weil sowohl die "Digital Natives", wie auch "Digital Immigrants" in derselben Welt leben und nicht etwa in unterschiedlichen "digitalen Welten" Vorhandene Unterschiede lassen sich nicht abstreiten, seien jedoch nach Schulmeister(2009) eher zurückzuführen auf differenzierte Lebensumstände, persönliche Präferenzen und Kompetenzen der jeweiligen Generation. Eine Exklusivität der Verfügbarkeit der Medien für eine bestimmte Generation ist nicht vorhanden. (vgl. ebd., zitiert nach Kirchhoff, S. 48)

Für die Mehrheit aller Generationen ist die Relevanz der Medien im Alltag in den letzten Jahren angestiegen. Laut einer Onlinestudie im Jahre 2013 von ARD/ZDF haben wir deutschlandweit 90 Prozent Handy- Benutzer und weltweit wurden bereits 2013 1,3 Milliarden Facebook-Nutzer gezählt, die Tendenz ist hier steigend. (vgl. BITKOM 2013, zitiert nach Kirchhoff, S. 48)

Im Gegensatz zu der hier angefochtenen Generationsthese steht die Diversitätsthese. Vertreter der Diversitätsthese sind der festen Annahme, "dass es nicht eine Generation gibt, in der alle Menschen gleiche Eigenschaften haben, sondern dass jede Altersgruppe von Menschen aus vielen Gruppen und Individuen mit ganz unterschiedlichen Interessen und Einstellungen besteht" (vgl. Schulmeister 2009, S. 64)

Die Generalisierung bei Vertretern der Generationshypothese, wie sie Prensky und seine Anhänger vertreten ist zu einfach und lässt wesentliche Tatsachen aus dem Blick verschwinden. Helpser und Enyon (2009) verdeutlichen in Ihren Darstellungen, dass es mehr als nur zwei unterschiedliche Mediennutzertypen(Digital Natives vs. Digital Immigrants) gibt:

    "Nevertheless, what is very clear is that it is not helpful to define digital natives and immigrants as two distinct, dichotomous generations. While there were differences in how generations engaged with the internet there were similarities across generations as well mainly." (Helsper/ Enyon 2009, S.14, zitiert nach Kirchhoff 2009,S. 48)

Helpser und Enyon machen auf die Gemeinsamkeiten zwischen den Generationen in Bezug auf die Internetnutzung aufmerksam. Die Sozialwissenschaften liefern uns viele Theorien und Modelle die die Generationsthese von Prensky entkräften.

Im Folgenden soll exemplarisch die Diffusionstheorie von Everett M. Rogers (2000) erläutert werden:

Der Kommunikationswissenschaftler Everett Rogers erklärt mit seiner Diffusionstheorie die Entwicklung von Innovationen und deren Verbreitung auf dem Markt. Eine Diffusion entwickelt sich, weil neue Dienstleistungen oder Produkte in den meisten Fällen zeitlich verzögert übernommen werden. Er gliedert das Potenzial einer Innovation in drei zeitliche Abfolgen:

  1. "Offenes Potential: möglichen Käufern/Nutzern ist die Innovation noch unbekannt
  2. Übernahmepotential: mit der Innovation vertraute Übernahmeeinheiten zögern bzw. sehen einer Entscheidung zur Innovationsübernahme entgegen.
  3. Bestandspotential: Übernahmeeinheiten haben sich die Innovation bereits zu eigenen gemacht. "
    (vgl. Diffusionstheorie nach Rogers. In: Online- Marketing-Lexikon)

Unternehmen, Haushalte oder einzelne Personen können zu Übernahmeeinheiten werden. Rogers unterscheidet verschiedene Verbrauchertypen, welche sich nach ihrer Innovationsbereitschaft im Zusammenhang mit ihrem sozialen Status, dem Einkommen und dem Alter einteilen lassen: "Innovators, Early Adaptors, Early Majority, Late Majority, Laggards". (vgl. ebd.)

Roger sieht in den Akteuren handelnde Subjekte, die durch ihr Handeln die Umwelt mit gestalten, er setzt bei der Praxis der Akteure, deren Wissen und Nutzungsmotiven an. Zusätzlich betrachtet Rogers die strukturellen Rahmenbedingungen des Handelns und Denkens der Akteure und setzt diese in Beziehung zu Innovationen. Die Eigenschaften der Innovationen sind jedoch universeller Natur und tangieren grundsätzlich alle Menschen, unabhängig von ihrer Generationszugehörigkeit. Die Verfügbarkeit von "Kommunikations-, Informations- und Unterhaltungstechniken" ist in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen, parallel dazu haben sich die Eigenschaften der Innovationen zum Vorteil der Nutzer entwickelt.: Die Benutzerfreundlichkeit (Usability) hat einen hohen Stellenwert erlangt und mit jeder neuen Erfindung wird die Beherrschung von der Technik bei der Anwendung immer mehr in den Hintergrund gedrängt. Der Fokus bei neuen Innovationen liegt auf einfacher Bedienung und Selbsterklärbarkeit. Die "Komplexität" wird reduziert und die " Beobachtbarkeit" steigt, beispielsweise lässt sich beobachten, wie einfach Smartphones zu bedienen sind. (vgl. Kirchhoff, S. 45) Die Einfachheit der Innovationen wirkt sich auf die Verbreitung aus. Innovationen verbreiten sich unter diesen Umständen schneller. Dies lässt sich ebenfalls am Beispiel des Smartphones verdeutlichen:

Laut Statista (2014) besitzen im Februar 2014 40,4 Millionen Bundesbürger ein Smartphone, was fast 50% der deutschen Einwohner beinhaltet. Nicht unterschätzt werden darf aber die Variation des Adaptionsverhaltens von Menschen, diese Tatsache hat Roggers dazu veranlasst, eine Typologie von fünf verschiedenen Übernehmer-Typen zu entwickeln:
(vgl. Rogers 2000, zitiert nach Kirchhoff, S. 48)


Die Übernehmer-Typen in Rogers Theorie

Innovators/ Innovatoren

Ein Innovator gehört zu den Ersten, die eine jeweilige Innovation aufgreifen. Er gilt als risikobereit und ist der höchsten sozialen Schicht zugehörig.

Early Adopters/ Frühe Übernehmer

Sind schnell bereit, Innovationen zu übernehmen.

Early Majority/ frühe Mehrheit

Greift Innovationen deutlich später auf als Innovators und Early Adopters, von denen ihre Entscheidungsfindung beeinflusst wird.

Late Majority/ späte Mehrheit

Die Late Majority bezeichnet in Rogers' Diffusionstheorie den Teil der Verbrauchermehrheit, der Innovationen später aufgreift als der durchschnittliche Verbraucher. Dieser Typ von Verbrauchern ist skeptisch gegenüber Innovationen und weist ein geringeres Einkommen sowie einen niedrigeren sozialen Status auf als die Early Majority.

Laggards/ Nachzügler

Laggards (dt. Nachzügler) sind die Letzten, die Innovationen aufgreifen. Sie sind Veränderungen gegenüber abgeneigt, oft auf Traditionen fokussiert und bilden die Gruppe mit dem niedrigsten sozialen Status.
(In Anlehnung an Rogers 2003, zitiert nach Kirschoff 2009, S. 49f.)

Im Gegensatz zu Prensky geht Rogers nicht davon aus, dass einer Gruppe bestimmte Fertigkeiten fehlen, er beschreibt nur den zeitlich anders verlaufenden Erwerb von Kompetenzen und die praktischen Erfahrungen in der Medienanwendung. Die unterschiedliche Besitzverteilung und die damit verbundene Adaption von Smartphones darf nach Rogers nicht auf das Geburtsjahr eines Menschen zurückgeführt werden. Zur Erklärung der unterschiedlichen Verteilung eignen sich eher die Variablen "persönliche Bedürfnisse", "relative Vorteile von Innovationen" oder "Kompatibilität von Innovationen". Diese Variablen stellen in Togers Modell wichtige Kriterien für die Mediennutzung dar. (vgl. Rogers 2003, zitiert nach Kirchoff 2009, S. 50)


Zwischenfazit
Es lässt sich festhalten, dass die Variable Geburtsjahr eine unterschiedliche Mediennutzung nicht ausreichend erklären kann. Nicht abzustreiten ist dagegen die mögliche Korrespondenz zwischen Geburtsjahr und Einstellungen. Jedoch impliziert die Tatsache, dass es mehr als nur zwei erklärende Variablen für das Mediennutzungsverhalten gibt, auch eine Unterscheidung in mehr als nur zwei verschiedenen Mediennutzungstypen. Da wir alle unabhängig unseres Geburtsjahres in der gleichen digitalen Welt leben und unsere Adaption der Nutzung nicht vom Geburtsjahr abhängig ist, sondern eher durch den sozialen Status, das persönliche Interesse und die Einstellung beeinflusst wird, ist die Einteilung in "Digital Natives" und "Digital Immigrants" unzureichend. Diese Argumentation soll auch die Vorstellung entkräften, dass die Jugendlichen in der heutigen Zeit eine radikale Umwälzung durchlaufen haben und alle zu sogenannten "Net Kids" heranwachsen:

    "Die Medien sind Teil des Alltags, sie werden als gegeben hingenommen und ganz selbstverständlich genutzt und in die ganz normalen Sozialisationsprozesse einbezogen. Das bedeutet nach meinem Verständnis gerade nicht, dass die Medien die Einstellungen der Jugendlichen «prägen`, Nerds oder Net Kids aus ihnen machen" (Schulmeister 2009, S. 80)

Innovationen, wie das Social Web formen das Verhalten nicht, höchstens wird ein Rahmen für Verhalten gestellt oder das Verhalten wird strukturiert und mit geformt. (vgl. ebd.)

Das Web 2.0 als eine Mitmachplattform verändert die UserInnen nicht, die UserInnen gestalten die Netzwerke. Natürlich lenkt die Plattform durch die gebotenen Funktionen das Verhalten der UserInnen, aber was letztlich im Netz erscheint, welche Bilder gepostet und welche Inhalte kommuniziert werden, wird von den UserInnen persönlich bestimmt. Dadurch sind die Inhalte und die Kommunikationen analog, real und authentisch.


2. Sozialisation 2.0



2.1 Kulturraum 2.0

Nach Marotzki (2003) eröffnen die neuen Plattformen des Internets die Möglichkeit einer Kommunikation über "Netzbilder einen neuen Kulturraum für verschiedenen Netzkulturen". (vgl. ebd. zitiert nach Richard, Birgit 2010, S. 11)

Bereits William F. Whyte (1943) beobachtete den Mangel an Möglichkeiten räumlicher Repräsentation der Jugendlichen. Whyte stellte fest, dass die Straßenecken in Chicago als Versammlungs- und Treffpunkte Jugendlicher aus sozial ausgegrenzten Milieus fungierten. Diese Beobachtungen werden in späteren britischen Jugendforschungen aufgegriffen. Der Begriff des "winnig space" beschreibt die charakteristische jugendkulturelle Praxis, welche die "Aneignung" der Straße als öffentlichen und territorialen Raum beinhaltet. Dabei geht es um die Aneignung eines kulturellen Raums, welcher sich als "Ort der Sichtbarkeit und damit als Provokationsraum" nutzen lässt. (vgl. ebd., zitiert nach Richard, Birgid 2010, S. 13.) Cohen, Phil (1972) sieht in den Straßenecken "Schauplätze alternativer Kulturalität, die sich entlang spezifischer Ausdrucksmöglichkeiten und jugendkultureller Rituale gestaltet." Die individuelle face-to-face-Interaktion zwischen Jugendlichen und den Vertretern der erwachsenen Bezugskulturen werde durch eine Abstraktion auf symbolischer Ebene des jugendlichen Stils abgelöst. (vgl. ebd., zitiert nach Richard, Birgit 2010, S. 13)

In den darauffolgenden Jahrzehnten, als Reaktion auf die Beobachtungen und Studien von Jugendkulturalitäten entstanden zahlreiche Institutionen für Jugendliche, wie Jugendclubs, Szenetreffpunkte und Musikfestivals, welche auf jugendliche Interessen zugeschnitten wurden und viele weitere Angebote, die die Intention verfolgen, Jugendliche zusammen zu bringen und ihnen einen Raum zu geben. (vgl. Richard, Birgit 2010, S. 14)

Neben diesen Räumlichkeiten jugendlicher Interaktion bietet jetzt vor allem das Internet in seiner Form als Social Web 2.0 einen Raum, der sich als jugendkulturell geeignet darstellt. Der von Whyte (1943) beobachtete Mangel an Repräsentationsräumen wird hier durch einen scheinbar unbegrenzten Raum im Internet kompensiert. Da die Medienkompetenz der Jugendlichen schon sehr gut ist, lässt sich dieser Repräsentationsraum sehr leicht erobern. Das Web 2.0 lässt sich vergleichen mit der ursprünglichen Straßenecke. Das virtuelle Netzt bietet "als Ort der zwei- und mehrgleisigen Interaktion das Potential zum Provokationsraum. So bildet Provokation im jugendkulturellen Rahmen bis heute die Mechanismen von Inklusion und Exklusion, an denen entlang Stil und damit letztlich Gemeinschaft entsteht." (Richard, Birgit 2010, S. 14)


2.2 Identität und Soziale Netzwerke

Der Einfluss der gesellschaftlichen Veränderungen auf die Identitätstheorien

    "So gesehen kann man die neuere Geschichte der Identitätsforschung auch lesen als eine Geschichte von theoretischen Manövern mit dem Ziel, die Identitätsfrage zu entschärfen um den Preis ihrer Banalisierung." (Keupp, S. 63)

Die Gesellschaft hat sich verändert und mit ihr auch die Mitglieder und somit auch ihre Identitätskonstruktionen. Auf diese Veränderungen hat die sozialwissenschaftliche Identitätsforschung auf unterschiedliche Weise reagiert. Häufig wurden komplexe Bedingungsgefüge auseinandergeflochten, um die empirische Forschung in einzelnen Bereichen voranzubringen, mit dem Verlust des Blickes auf die Komplexität. (vgl. ebd.)

Im folgenden Abschnitt soll der Zusammenhang neuer Identitätskonstruktionen und der neuen sozialen Netzwerke beschrieben werden. Die Wechselwirkungen zwischen sozialen Netzwerken und Identitätskonstruktionen werden aufgezeigt.


2.2.1 postmoderne Bedingungen

Eine gesellschaftliche Stabilität, wie sie in der Moderne noch vorherrschte, wird in der postmodernen Gesellschaft durch neue Prozesse der Individualisierung, Pluralisierung und Globalisierung in Frage gestellt, folglich löst sich auch die Vorstellung einer gesicherten und stabilen Identität auf. (vgl. Keupp 2009) Diese komplexen Veränderungsprozesse betreffen Menschen in den Industrieländern und werden von Keupp als "ontologische Bodenlosigkeit" (Keupp 2008, S. 53) betitelt. Neue postmoderne Herausforderungen von Fragmentierung, Diskontinuität und Brüchen ersetzen nun die modernen Welterfahrungen von Einheit und Kontinuität. (vgl. Keupp 2009)

Keupp(2008) sieht diese Umbruchserfahrungen und den Einfluss auf Subjekte in folgenden Punkten:

  1. "Subjekte fühlen sich ,entbettet«,
  2. Entgrenzung individueller und kollektiver Lebensmuster,
  3. Erwerbsarbeit wird als Basis von Identität brüchig,
  4. 'Multiphrene Situation' wird zur Normalerfahrung,
  5. 'Virtuelle Welten' als neue Realitäten,
  6. Zeitgefühl erfährt ,Gegenwartsschrumpfung«,
  7. Pluralisierung von Lebensformen,
  8. Dramatische Veränderung der Geschlechterrollen,
  9. Individualisierung verändert das Verhältnis vom einzelnen zur Gesellschaft,
  10. Individualisierte Formen der Sinnsuche".
    (Keupp 2008, S. 46)

Unter diesen neuen postmodernen gesellschaftlichen Bedingungen hat die Identitätsbildung die Aufgabe, sich permanent zwischen der inneren und äußeren Welt anzupassen und immer wieder flexibel auf diese Bedingungen einzugehen. Aus diesem Grund sprechen wir heute nicht mehr von Identität als Ausbildung eines stabilen Kerns, wie noch in Eriksons Modell, sondern sehen Identität als ein Prozessgeschehen, das tägliche permanente Identitätsarbeit unabdingbar macht. (vgl. Keupp 2009)


2.2.2 Heiner Keupps Identitätsmodell

Heiner Keupp hat unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Veränderungsprozesse das Konzept der "Patchwork Identität" entwickelt. (vgl. Keupp 2009) Keupp verwendet die Metapher eines vielfältigen "bunten Fleckenteppich" um die Patchwork Identität zu beschreiben. (vgl. Keupp 2009, S. 57)Diesen Teppich flicken die Subjekte aus ihren Erfahrungen patchworkartig zusammen und verknüpfen ihn immer wieder neu (vgl. ebd.) Dieses Patchwork soll nicht verstanden werden als ein " geschlossenes Muster bzw. einen Gleichgewichtszustand zwischen verschiedenen Teilelementen, sondern als Crazy Quilt«". (Tillmann 2008, S. 72) Damit akzentuiert Keupp eine hohe Eigenleistung der Identitätsarbeit, die Individuen bewältigen diese Aufgabe aktiv und kreativ.


Keupp beschäftigt sich mit zwei Fragen:
  1. Woher kommen die Entwürfe für die jeweiligen Identitätsmuster?
  2. Und wie entwerfen die Individuen patchworkartige Identitätsmuster?
    (Vgl. Keupp 2009)<
Im Folgenden sollen diese Fragen beantwortet werden:

1) Woher kommen die Entwürfe für die jeweiligen Identitätsmuster?

Früher gab es die Anker: Glaube, Familie und Politik als Orientierungsmöglichkeiten für die Entwicklung des Ichs. Heute stehen die Jugendlichen vor den Herausforderungen gesellschaftlicher Entwicklungen, welche sich durch Enttraditionalisierung, Globalisierung und Individualisierung auszeichnen (vgl. Röll 2008). Für das Aneignen von Identitätsmustern muss das Individuum nun neue Wege finden. Das Prinzip der Pluralisierung, welches in unserer Gesellschaft vorherrscht bringt eine Vielzahl von Orientierungsangeboten mit sich, dieser Zustand wird zu einer Herausforderung für das Individuum.(vgl. Röll 2008) Die Vielzahl an Orientierungsangeboten ist jedoch nicht hierarchisch sortiert, sondern steht in einer willkürlichen Reihung nebeneinander und wird beliebig wahrgenommen.(vgl. Schorb 2009, S. 83)

In der Moderne existierten Entwürfe für eine "Normalbiografie", Durch diese konnten sich Individuen an Berufs-, Religions- oder Familienkonzepten orientieren. Sozialisationsinstanzen und Institutionen wie "Familie, Schule, Arbeit, Religion, Gewerkschaft und Politik" prägten in der Moderne die Gesellschaft und die Individuen orientierten sich an diesen, mit großer Bereitschaft Identitätsmodelle zu übernehmen." (Schorb 2009,S.83 )Sie hatten den Heranwachsenden als klassische Sozialisationsinstanzen klare Entwicklungsaufgaben gestellt und ihnen damit ebenso eindeutige Vorgaben für die Identitätsbildung geboten. (ebd.) In der Postmoderne verlieren Institutionen an Bedeutungskraft und traditionelle Konzepte an Verbindlichkeit und Akzeptanz, diese Veränderungen implizieren einen Orientierungsverlust.

Die Reduktion konventioneller Muster bringt Freiheiten in der eigenen Lebensbestimmung mit sich, führt aber gleichzeitig zu Entscheidungsschwierigkeiten und einer Unüberschaubarkeit an potentiellen Identitätsmustern. In einer immer komplexeren Welt fordert die Identitätsbildung eine starke Individualisierung. "Heranwachsende sind heute mehr denn je gefordert, sich vor dem Hintergrund mitunter widersprüchlicher Lebensanforderungen in einer Vielfalt von Möglichkeiten und Angeboten zu orientieren und zu positionieren." (Schorb 2009, S. 83) "Es kommt zur Erprobung unterschiedlicher Bedeutungszusammenhänge und damit auch zur Fragmentierung der Identitätspräsentation. Teilidentitäten können selektiv aktiviert werden." (Röll 2013, S.216) Folglich wird die Fähigkeit der Selbstorganisation zu einer essentiellen Eigenschaft für junge Menschen und der Aufbau von Kohärenz wird notwendig für die Lebensbewältigung: "Identitätsarbeit hat als Bedingung und als Ziel die Schaffung von Lebenskohärenz" (Keupp 2009, S. 63)

2) Wie entwerfen Individuen patchworkartige Identitätsmuster?

"Identität wird bestimmt als rationale Verknüpfungsarbeit, als Konfliktaushandlung, als Ressourcen- und Narrationsarbeit." (Nierobisch 2016, S. 34) Identitätskonzepte der Postmoderne stellen fest, dass Identität ein lebenslanger Konstruktionsprozess ist. Identitätskonzepte werden immer wieder neu reflektiert und umgestaltet. Identität muss in ein ausbalanciertes Passungsverhältnis (Kohärenz) gebracht werden, "das aus Sicht des Subjekts stimmig ist." (Tillmann 2008, S. 75) Diese Kohärenz sieht Keupp als notwendige Ressource für die Herstellung der Identität. Die Herstellung von Kohärenz, die Aushandlung zwischen Anerkennung und Autonomie und die Herstellung der Authentizität sind drei übergreifende Aufgabenstellungen in Keupps Identitätsmodell, welche eine Syntheseleistung zwischen den einzelnen Teilidentitäten herstellen. Diese drei Faktoren sind Bedingungen für die Verknüpfung der Multi Me«s. (vgl. Keupp 2008)


2.2.3 Kohärenz

Nach Keupp ist die Herstellung von Kohärenz unabdingbar für die Identitätsentwicklung von Subjekten, die in pluralisierten gesellschaftlichen Verhältnissen aufwachsen. Der Begriff Kohärenz beschreibt ein Balancegefühl zwischen permanent auszuhandelnden inneren und äußeren Anforderungen. (vgl. Höfer 2000) Um die Teilidentitäten der eigenen Patchworkidentität zu kontextualisieren und zu einem Ganzen zu konstruieren, ist Kohärenz erforderlich. Kohärenz meint die Verknüpfung: " Alle für das Selbst relevante Erfahrungen müssen aufeinander bezogen werden" (Röll 2013,S. 216)

Um die Selbsterfahrungen, die Ähnlichkeiten und Unterschiede zu verknüpfen, bedarf das Subjekt eines hohen Maßes an Koordinationsvermögen. (vgl. Tillmann 2008)

Aaron Antonovsky(1986) sieht in seinem Konzept "Sense of Coherence" die Kohärenz als Voraussetzung für die psychische und physische Gesundheit. (vgl. ebd.)

Das Individuum muss "lebenslang erhebliche Eigenleistungen bringen, um die heterogenen Selbsterfahrungen (Patchwork) zu einem sinnvollen (kohärenten) Zusammenhang zu verdichten." (Röll 2014, S. 216)

Schorb (2009) betont die lebenslange Entwicklung der Identität: "Die erarbeitete Identität kann unter den heutigen Bedingungen keine monochromatische Persönlichkeit generieren, keine Übereinstimmung des Ichs mit der Welt, sondern muss sich an der Pluralität der heutigen Welt ausrichten." (Schorb 2009, S.84) Vielfältige, widersprüchliche und ambivalente Identitätsfragmente müssen sinnvoll zu einem Ich verknüpft werden. Der Aufbau von Kohärenz ist also noch immer sehr bedeutsam. Während der Konstruktion ihrer Identität sind die Jugendlichen auf Bedingungen und Ressourcen ihrer Umwelt angewiesen. Identität wird hergestellt in einer "Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie, mit den Entwicklungsaufgaben, die das soziale Umfeld stellt und in Interaktion mit anderen." (Schorb 2009, S. 84)


2.2.4 Identität durch Narration

Wie in der Darstellung von Keupps Theorie schon verdeutlicht wurde, besteht die Identitätsaufgabe des Individuums darin, die Patchworkflicken in einen kohärenten Zusammenhang zu bringen. In Keupps Ansatz kann Kohärenz über die Selbstnarration erreicht werden. (vgl. Tillmann 2008) Konstruktion der eigenen Identität über Selbstnarration bedeutet, dass ein Subjekt sein eigenes Leben erzählerisch darstellt und über die Selbsterzählung seine Identität konstruiert.

Röll(2013) erläutert: "Das Wiedererkennen, die Kontextualisierung und das Reflektieren der eigenen Person erfolgt über Geschichten erzählen, über dem Spiel mi Sprache, Bildern, Tönen. Letztlich geht es um die Dokumentation einer fortlaufenden Selbstnarration"(Röll 2013,S. 217) In seinem Werk "Das erzählte Selbst", stellt Kraus(1996) fest, dass Selbsterzählungen nicht Eigenschöpfungen von Individuen sind, sondern, dass diese Selbsterzählungen stark bedingt sind durch kulturelle und gesellschaftliche Erzählkonventionen. Also ist die Selbstnarration einer Person beeinflusst durch einen kulturellen und sozialen Rahmen und dieser Rahmen gilt auch für das Selbstverständnis einer Person. (vgl. ebd., zitiert nach Tillmann 2008)

Die Social Networksites bieten einen sozialen Zusatzrahmen, in dem sich die "Suchbewegung hin zu einer Kernnarration" etablieren kann und gleichzeitig ein zeitsynchronischer Austausch mit anderen Usern ermöglicht wird. (Röll 2013, S.217)

Via Selfies und anderen Fotografien erzählen UserInnen der Social Networksites wie in einem Tagebuch von ihrem Alltag und ihren Erlebnissen. Selfies können also gleichgestellt werden mit "Mikronarrationen", diese Mikronarrationen stellen eine kontinuierliche Selbstpräsentation dar. Der/die ProduzentIn setzt sich über diese Bilder mit sich selbst auseinander und führt einen Dialog mit Anderen über das Selbstbild. Selfies sind "Mini-Mes, die wir rumschicken, um anderen eine Ahnung davon zu vermitteln, wer wir sind. Sie sind kleine Tagebücher, die vergrößern, reduzieren, dramatisieren- die sagen:, ich bin hier; schau mich an. «"(Saltz 2015, S. 38)

Die Entwicklungsaufgabe der Identitätsfindung ist eng verknüpft mit der heutigen Selbstdarstellung im Netz: "Identität wird heute als Patchwork betrachtet, das stetig modifiziert bzw. hergestellt und verändert wird. Greifbar ist Identität nur, indem wir uns selbst erzählen oder inszenieren- also auf performativer Ebene agieren."(Tillmann 2008, S. 197)


2.2.5 Ein symbolisch-interaktionistischer Zugang zu personaler Identität (George Herbert Mead)

Der Fokus liegt bei Herbert Meads Arbeiten auf der Eingebundenheit personaler Identität in sozialen Interaktionen. Mead beschreibt die Wechselwirkung von Gemeinschaft und den Identitäten. Die Gemeinschaft einerseits formt die Identitäten der einzelnen Mitglieder und die einzelnen Mitglieder beeinflussen die gesellschaftliche Entwicklung und Ausdifferenzierung durch die jeweilige individuelle "Übernahme und Ausgestaltung sozialer Normen." (vgl. Ernst 2015, S. 230) Entstehung, Struktur und Darstellung der personalen Identität erklärt Mead mit den "zwei aufeinander bezogenen Phasen des reflektierten " Me" und des impulsiven "I". (vgl. ebd., S. 230)

Identität beinhaltet nach Mead vor allem Identität- bzw. Selbstbewusstsein: In dem ein Individuum sich selbst zum Objekt seiner eigenen Wahrnehmung und Reflexion werden lässt, wird es sich selbst bewusst, das Individuum bezieht sich auf sich selbst. Dieses Selbstbewusstsein des Individuums beschreibt Mead als einen Prozess: das Individuum entwickelt einen Blick durch die Augen anderer, das Individuum lernt, sich selbst aus dem Blick Außenstehender wahrzunehmen. Mit unserem Selbstbewusstsein schaffen wir uns nach Mead unsere eigene Umwelt, wir nehmen Umweltreize selektiv wahr und schenken ihnen Bedeutung. Welchen Reizen wir unsere Aufmerksamkeit schenken, ist sehr kulturell geprägt. Durch den Gebrauch von signifikanten Symbolen, häufig durch die Sprache, ruft ein Individuum bei sich selbst und bei den anderen Menschen in seiner Umgebung die gleichen Reaktionen hervor, so "erhalte [das Individuum] Zugang zu einem gemeinschaftlich geteilten Sinn." (vgl. Mead, zitiert nach Ernst, S. 231) Durch diesen gemeinschaftlich geteilten Sinn sei nun ein Individuum dazu fähig, die Sichtweise und die Einstellung eines anderen, gegenüber sich selbst einzunehmen. Darüber hinaus ist das Individuum dann in der Lage das Verhalten des anderen vorherzusagen, sein eigenes Verhalten dementsprechend zu bewerten, zu kontrollieren und anzupassen.

Mead zufolge ist Selbstbewusstsein abhängig von sozialen Interaktionen. Selbstbewusstsein bildet sich nur durch soziale Interaktionen aus und festigt sich anschließend in Handlungen innerhalb sozialer Interaktionen. Signifikante Symbole als Repräsentanten kultureller Normen und Handlungsregeln vermitteln dem Individuum ein bewusstes, d.h. nach Mead reflexives und entscheidungsfähiges Selbst- und Weltverhältnis. Hinzu kommen des Weiteren die eigenen persönlichen Erfahrungen die in sozialen Interaktionen gesammelt werden.(vgl. Ernst, S. 231) Diesem bewussten Selbst- und Weltverhältnis geht ein Sozialisationsprozess voraus, welcher in Meads Darstellung als "taking the role oft he other" (Rollenübernahme) und im "play" (Spiel) stattfindet. In verschiedenen Rollen nimmt das Kind die jeweilige Haltung der entsprechenden Bezugsperson sich selbst gegenüber ein. "Indem [eine Person] diese Rolle der Anderen übernimmt, kann sie sich auf sich selbst und so ihren eigenen Kommunikationsprozess lenken." (Mead, Geist, S. 300, zitiert nach Ernst, S. 231) Im darauffolgenden Entwicklungsprozess werde der Mensch nach Mead dazu befähigt, sich parallel in mehreren differenzierten sozialen Rollen hinein zu versetzen und die verschiedenen Perspektiven, Handlungsmöglichkeiten und Handlungsinteressen miteinander zu koordinieren. Im "game" (Wettkampf) muss ein Akteur die Haltung aller Teilnehmer einnehmen, antizipieren und koordinieren, damit sein Handeln im System erfolgreich ist. (vgl. ebd.)
Die Einnahme verschiedener Perspektiven mehrerer Teilnehmer ermöglicht uns Menschen ein, auf situative Handlungsmöglichkeiten ausgerichtetes Verhalten, welches mögliche Konsequenzen des eigenen Handeln berücksichtigt. Folglich werden physische Bedingungen und soziale Handlungsregeln zum einflussreichen Faktor unseres Handelns. Wir übernehmen zunächst die Rolle einer bestimmten Bezugsperson in unserem direkten Umfeld. Diese Anderen aus unserem unmittelbaren Umfeld bezeichnet Mead als " signifikante Andere". (Mead, Geist, S. 194, zitiert nach Ernst, S. 232)

Die konkreten Interaktionserfahrungen mit den signifikanten Anderen sind Grundlage für ein inneres Konzept des "generalized other"(generalisierten Anderen), welches im Rahmen des Sozialisationsprozesses und der Persönlichkeitsentwicklung entsteht. (vgl. ebd.)

"Die organisierte Gemeinschaft oder gesellschaftliche Gruppe, die dem Einzelnen seine einheitliche Identität gibt, kann der (das) verallgemeinerte Andere` genannt werden. Die Haltung dieses verallgemeinerten Anderen ist die der ganzen Gemeinschaft. So ist zum Beispiel bei einer gesellschaftlichen Gruppe wie einer Spielmannschaft eben dieses Team der verallgemeinerte Andere, insoweit es- als organisierter Prozess oder gesellschaftliche Tätigkeit- in die Erfahrungen jedes einzelnen Mitgliedes eintritt."(Mead, Geist, S.196f, zitiert nach Ernst, S. 232)

Durch das Abstrahieren des konkreten Verhaltens der signifikanten Anderen in bestimmten Situationen entsteht nach Meads Darstellungen eine Kenntnis über die die geltenden Prinzipien in einer Gemeinschaft, also ein Wissen über die zu erwartenden Haltungen und Reaktionen in der Gemeinschaft. Nach Mead lassen sich alle gesellschaftlichen Prinzipien und institutionalisierten Rollen zurückführen auf die Interaktionserfahrungen des Individuums mit signifikanten Anderen. Diese Erfahrungen bilden in Meads Darstellungen die "gesellschaftliche Grundlagen und Funktionen des Denkens und der Kommunikation". (vgl. Mead, Geist, S.299, zitiert nach Ernst, S.233) Mead geht von einer ständigen Modifikation der gesellschaftlichen Prinzipien aus, die auf der Rückbindung an konkreten Interaktionen beruhen. Soziale Interaktionen führen zur Abstraktion von Prinzipien, die in der Gesellschaft allen Mitgliedern gemein sind. Diese gemeinschaftlichen Prinzipien beinhalten gemeinsame Bezugs- und Deutungsrahmen, welche ein kooperatives, auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtetes Handeln ermöglichen.

    "Der generalisiert Andere ist der Repräsentant der Gesellschaft im Individuum. Selbst bei Abwesenheit Anderer ist das Individuum imstande, sein Verhalten so zu organisieren, dass es dabei berücksichtigt, welche diesbezüglichen Haltungen es von ihrer Seite zu gewärtigen hätte. Daher hängt der generalisierte Andere bei Mead sowohl mit Selbstkontrolle wie mit sozialer Kontrolle eng zusammen." (Strauss, S.30, zitiert nach Ernst, S. 234)

Unter Berücksichtigung der Haltungen anderer und der eigenen Haltung in Reaktion sowie der Auseinandersetzung mit diesen Haltungen entfaltet sich nach Mead die Identität einer Person. Durch dieses Zusammenspiel ist ein Individuum in der Lage, einen reflektierten Selbstbezug und ein darauf folgendes kontrolliertes Verhalten zu organisieren. Dieses Verhalten passe sich dem Verhalten anderer an, beziehungsweise setzt das Individuum sein eigenes Verhalten in Beziehung zu dem Verhalten anderer. Der Einzelne bedarf nach Meads Darstellungen Interaktionspartner, um durch die Reaktionen ein Bild von sich selbst zu erhalten. Mead stellt diesen Interaktionsprozess in den Fokus und sieht in den Anderen nicht nur die Funktion eines reflektierenden Spiegels. (vgl. Ernst, S. 234) Die starke Manifestation der einzelnen Identitäten aller Beteiligten in einem Interaktionsprozess, welche jeweils ihre eigene Identität mit einbringen und auch immer wieder neu modifizieren betitelt Herbert Blumer (2009) als "join action":

    " A join action cannot be resolved into a common or same type of behavior on the part of the part of the participants. Each participant necessarily occupies a different position, acts from that position, and engages in separate and distinctive act. It is the fitting together of these acts and not their commonality that constitutes joint action.Ó(vgl. ebd., zitiert nach Ernst, S. 234)

Dieses Modell des Symbolischen Interaktionismus stellt personale Identität dar, als einen Prozess der gleichzeitigen Bestätigung und Modifikation sozialer Konventionen innerhalb sozialer Interaktionen.

Mead beschreibt die Struktur der sozialen Interaktionen als ein Zusammenwirken zweier, miteinander verbundener Phasen. Mead betont die Zusammengehörigkeit der zwei Phasen der Identität, die Phase I und die Phase Me. (vgl. Mead, 1973)

Das Me ist das Selbstbild einer Person, welches durch die Interpretation der gesellschaftlichen Konventionen entsteht, während das I eine impulsive Aktivität ist, die aus dem Inneren des Menschen hervortritt.

Abels (2004) erklärt: "Unter der Perspektive von Identität meint das reflektierte Ich die Seite zugewiesener Identität, die internalisierte Vorstellung von dem Bild, das sich der Andere wahrscheinlich von mir gemacht hat."(vgl. ebd., zitiert nach Ernst, S. 235)

Abels erläutert, dass je nach Situation, ein anderer Aspekt des Individuums in den Vordergrund rückt, und somit sei das Me im Plural situativer Mes zu sehen. Resultat des reflektieren Me ist ein Selbstbild, welches sowohl die Haltungen anderer, als auch den persönlichen Umgang mit den Haltungen der Anderen beinhaltet. (vgl. ebd.) Folglich ist die Form der Erscheinung des Me abhängig von dem Umgang mit den Haltungen der Anderen. Je nach Umgangsform kann das Me als angepasstes, oder auch rebellisches Me in Erscheinung treten. (vgl. ebd.)

    "Gewöhnlich bestimmt die Struktur des "Ich"[des reflektiertem Me] den Ausdruck des "Ichs"[des impulsiven I]. [...] Es[das reflektierte Me] bestimmt den Ausdruck, der zulässig ist, bestimmt die Bühne und gibt das Stichwort.(Mead, Geist, S. 254, zitiert nach Ernst, S. 235]

Diese Strukturen bilden einen Rahmen, innerhalb dessen ein Individuum Freiraum für die "schöpferische und unplanbare Tätigkeit des I enthält. Das impulsive I handelt situativ und charakteristisch. "Das impulsive I ist somit eine produktive und innovative Kraft, die Neues im Sinne einer mehr oder weniger starken Modifikation oder einer Reorganisation des Bisherigen schafft."(Vgl. Ernst,S,236) Die personale Identität beschreibt Mead als eine Synthese aus strukturbedingten und prozesshaften, "aus konservativ- konventionellem und innovativem Moment." Die Aneignung, die Deutung und die Veränderung allgemeiner Verhaltensweisen machen nach Mead die Individualität und die Originalität eines Individuums aus. (vgl. Ernst, S. 236) Personale Identität nach Mead ist zu verstehen, als eine immer wieder neu zu leistende Aufgabe des Individuums in verschiedenen Situationen. Identität ist dabei das Resultat sozialer Interaktionen. Die Identität wird durch die Erwartungen und Reaktionen der Interaktionspartner strukturiert. Der symbolische Interaktionismus geht also von der Annahme aus, "dass der Mensch nicht nur in einer natürlichen, sondern auch- und das vor allem- in einer symbolischen Umwelt lebt" (Burkart 1998, S. 51, zitiert nach Mara 2009, S.71) Das Prinzip des symbolischen Interaktionismus soll in folgender Abbildung vereinfacht dargestellt werden:

Abbildung 4: Wechselbeziehung zwischen Individuum, einer anderen Person, deren Bild vom Individuum (Fremdbild) und dem Bild der Person von sich selbst (Selbstbild)

In Anlehnung an Mummendey 2002, S. 213, zitiert nach Mara 2009, S. 71


Zwischenfazit

Zur Verdeutlichung der essentiellen Bedeutung der signifikanten und der generalisierten Anderen wurde hier die Darstellung Meads in Bezug auf Identität erläutert. Meads Ansatz lässt sich auf das Phänomen der Selbstdarstellung in Social Media übertragen. Wir inszenieren uns selbst durch Beiträge in Social Network Sites und erhalten Resonanz von anderen UserInnen. Diese Resonanz beeinflusst unsere weiteren Beiträge. Wir sind uns schon vor dem Posten darüber im Klaren, was wohl unsere Zielgruppe über den Beitrag denken wird. Wir initiieren ein erwünschtes Feedback, in dem wir solche Beiträge posten, die unserer Erfahrung nach die gewünschte Resonanz hervorbringen wird.

Social Media basieren auf Kommunikation, die User sind nicht passiv, sondern interagieren und kommunizieren. Diese Interaktionen der User untereinander über Bilder und Texte beeinflussen die Art der Selbstdarstellung der User in Social Media.

Schon in dem Moment, in dem wir ein Selfie schießen, haben wir einen bestimmten Adressanten, eine bestimmte Community im Hinterkopf, die dieses Foto sehen und bewerten wird. Wir sehen uns aus dem Blick der Anderen und so wird unser Verhalten in Social Media durch vorhersehbare Resonanz der Anderen beeinflusst. Identität nach Mead ist immer wieder in weiteren Interaktionen neu aushandelbar. Die Bedingungen der Social Media passen gut zu dieser ständigen Modifikation der Identität.


3. Selbstdarstellung in Social Media

"Wenn ein einzelner vor anderen erscheint, stellt er bewußt oder unbewußt eine Situation dar, und eine Konzeption seiner selbst ist wichtiger Bestandteil dieser Darstellung." (Goffmann 1998, S. 285)

Erwin Goffman definiert in seinem berühmten Text "Wir alle spielen Theater" Inszenierungs- und Selbstdarstellungsprozesse als Prozesse, die in praktisch allen unseren alltäglichen Interaktionen stattfinden. Die Theorie der Selbstpräsentation geht von der Annahme aus, dass Personen darum bemüht sind, den Eindruck, den sie gegenüber anderen Personen zurücklassen, unter Kontrolle zu halten. (vgl. Mara 2014, S. 73) Die Metapher eines Schauspielers ist bei der Selbstinszenierung demnach seht zutreffend, da auch ein Schauspieler teilweise bewusst und teilweise unbewusst seine Rolle anpasst. (vgl. ebd.) Mummendey (1995) betont, dass Menschen nicht nur in Ausnahmesituationen, sondern in fast allen Lebenskontexten zu " Impression Managern" werden. (vgl. ebd., S. 197, zitiert nach Mara 2013) Vertreter der Impression- Management- Theorie wie Erwin Goffmann fassen die Gesamtheit aller Selbstbeurteilungen unter dem Begriff des Selbstkonzepts zusammen. Soziale Identitäten einer Person können je nach Situation sehr variieren ("Situated identities"). (vgl. ebd.) Das Individuum arbeitet aktiv an der Entwicklung seines eigenen Selbstbilds mit. Das Selbstkonzept wird zum größten Teil über das Fremdbild konstruiert- "insbesondere durch die eigenen Erwartungen darüber, was andere Menschen über die eigene Person denken"(vgl. Mummendey 2006, S. 73, zitiert nach Mara 2013, S. 73)

Misoch (2004) unterscheidet folgende Ebenen der Selbstdarstellung:
  1. Die Körperebene: Der Körper und seine unmittelbar rezipierbaren Merkmale sind relevant. Besonders signifikant ist das Gesicht mit seiner speziellen Möglichkeit der Selbstdarstellung (Mimik).

  2. Die Attributebene: In diese Ebene fallen Attribute außerhalb des Körpers, die aber bewusst und expliziert zur Selbstdarstellung gebraucht werden können. (Kleidung Schmuck, Statussymbole wie ein Auto oder eine Wohnung, etc.)

  3. Die Inhaltsebene: Diese Ebene inkludiert die sprachlichen Inhalte eines Individuums, insbesondere alle Aussagen, die eine Person über sich selbst trifft.
    (vgl. ebd., S.51ff, zitiert nach Mara 2013, S. 74)

Alle diese Ebenen werden durch einen einzigen Post auf einer Social Network Plattform abgedeckt. Die Selbstdarstellung auf Social Network Sites erleichtert eine Kontrolle des Selbstbildes. Wir können bewusster, schneller und präziser ein bestimmtes Selbstbild von uns erzeugen:

    "Selbstdarstellungsprozesse bei computergestützter Kommunikation sind durchaus erleichtert, dass der Selbstdarsteller die Informationsweitergabe sehr viel besser kontrollieren kann als in Face- to- Face -Situationen." (Döring 1994, zitiert nach Mara 2013, S. 74)

Wir stellen uns also ständig bewusst und unbewusst dar. Unsere Bühne der Inszenierung ist dabei sowohl unser Arbeitsplatz und unsere Freizeit. Aber auch und grade online im Social Web stellen wir uns selber dar. Warum stellen wir uns selber dar? Ist dieses Phänomen der Selbstdarstellung durch das Aufkommen des Web 2.0 exploriert?


3.1 Identitätskonzept Goffmann - Warum stellen wir uns selber dar?

Erwin Goffmann arbeitet die biografische Dimension personaler Identität heraus. Das Individuum steht vor der doppelten Herausforderung, einerseits den sozialen Anschluss zu finden, aber anderseits wird ein Individuum nur dann anerkannter Teilnehmer an sozialen Interaktionen, wenn es seine Originalität hervorhebt. Goffmann erläutert, dass gerade die Pluralität der Interaktionsbeteiligung dazu beiträgt, dass Handlungsspielräume geöffnet werden und folglich Interaktionen stabilisiert werden können. (vgl. Ernst, S. 237)

"Wir alle spielen Theater." (Goffmann 1959, S. 67) Im Sinne des symbolischen Interaktionismus findet Selbstdarstellung und Eigeninszenierung in alltäglichen Interaktionen statt (vgl. Mara 2009).

Im Identitätsmodell von Goffmann wird wie auch bei Erikson, Mead und Keupp, zwischen externen und internen Bedingungen differenziert. Goffmann unterscheidet zwischen persönlicher und sozialer Identität. Während die persönliche Identität die Einzigartigkeit eines Subjekts widerspiegelt, meint die soziale Identität die Zugehörigkeit eines Subjekts zu einer kollektiven Einheit. Goffmans Identitätsmodell beschreibt die Konstruktion der Identität als eine Reaktion auf die Wahrnehmung der äußerlichen Selbstdarstellung durch andere. (vgl. Vogelsang 2014) Unser Selbst- Bewusstsein resultiert folglich aus sozialen Prozessen und ist die "Perspektive, die andere von uns haben. Der Weg zum Ich geht vom Du aus."(Vogelsang 2014, S.50)

Erwin Goffmann beschreibt, dass Menschen sich selbst präsentieren, weil ein Subjekt in dem Bewusstsein lebt, beobachtet und gesehen zu werden.(vgl. Balsam 2010) Die Selbstdarstellung ist nach Goffmann die "zielgerichtete Regulation des persönlichen Bildes, das man durch Verwendung besonderer Zeichen von sich produzieren will und bewusst oder unbewusst über Sprache, Mimik und Gestik kommuniziert.(Balsam 2010, S.64) Das Selbstkonzept eines Subjekts ist durch das Fremdbild bestimmt.(vgl. Goffmann 1959)

Monika Matsching (2016) beschreibt Wirkungskompetenz als die Fähigkeit, verschiedene Instrumente der nonverbalen Kommunikation so zu kombinieren, dass die gewünschte Wirkung daraus resultiert. (vgl. ebd. S.10) Die verbale Kommunikation, insbesondere die Rhetorik können sich ins Gedächtnis der Zuhörer einbrennen, wie zum Beispiel berühmte Sätze von Politikern, aber: "Wissenschaftliche Studien bestätigen, dass vom gesprochenen Wort nur wenig bei uns hängen bleibt. Was wir sehen, hat eine ungleich stärkere Wirkung auf uns" (Matsching 2016, S. 10)

Die wohl mächtigste Wirkung durch Selbstinszenierung erzielen die UserInnen der Social Media momentan durch Selfies


3.2 Selbstdarstellung in Social Media durch Selfies

"But first, let me take a Selfie" dieser Songtext der Band: " The Chainmokers" aus ihrem Hit" #Selfie "beschreibt eine populäre Fotopraxis, die sich in den letzten Jahren etabliert hat. " Wir leben im Zeitalter des Selfies" (Saltz 2015, S. 32) Täglich schießen Menschen Fotos von sich selbst mit der Frontkamera ihres Smartphones. Diese Fotopraxis beherrscht den Alltag vieler junger Menschen. Zu fast jedem Anlass, an den verschiedensten Orten und mit unterschiedlichen Absichten werden Selfies aufgenommen. Wir produzieren und konsumieren Selfies, die sozialen Netzwerke sind davon überflutet. Millionen neue Selfies lassen sich täglich auf Social Network Sites finden (vgl. Bering/Niehoff 2013) Warum machen wir Bilder von uns selbst und ist die Selbstinszenierung tatsächlich wichtiger geworden im Zeitalter des Web 2.0? Die Kommunikationsräume Jugendlicher sind heute sehr eng verflochten mit den digitalen Medien. Kommuniziert wird über das Smartphone, und Botschaften werden über Selbstporträts an andere UserInnen gesendet. Die Praxis der Selbstdarstellung über Netzwerkplattformen ist im aktuellen Diskurs umstritten. Moralischer Verfall der Kultur und ausgeprägter Narzissmus werden dem Phänomen vorgeworfen, jedoch die Vielfalt, die Kreativität und die Bildkompetenz der Jugendlichen werden positiv hervorgehoben. (vgl. Tillmann 2008)

In diesem Kapitel soll das Phänomen: Selbstdarstellung über Selfies in Social Media diskutiert werden.


Selfies

"Selfies" stellen eine neue Ausdrucksform dar, es handelt sich dabei um Selbstdarstellungen, die meistens mit dem Smartphone angefertigt und auf Social Network Sites veröffentlicht werden. (vgl. Tillmann 2008, S. 24)

Das Wort "Selfie" lässt sich zurückführen auf einen Australier, der diesen Begriff im Jahre 2002 zum ersten Mal beim Versenden einer MMS(Nachricht mit Bild) verwendetet. (vgl. Donnachie 2015). Der Australier machte damals nach einem unter Alkoholeinfluss entstandenen Unfall, eine Nahaufnahme von seiner zugerichteten Lippe. Er versandte diese Foto mit der Information:" Sorry about the focus, it was a selfie." (vgl. ebd.) Der Begriff Selfie war damit geboren und fand sehr schnell seine Verbreitung in den sozialen Netzwerken.

Als Selfies werden Fotoaufnahmen betitelt, in denen sich Personen selbst über die Fotokamera ihres Smartphones abbilden und in einem sozialen Netzwerk hochladen.(vgl. Saltz 2015) Der relativ neue Begriff " Selfie" wurde bereits 2013 vom Oxford Dictionary als Wort des Jahres gewählt. (Oxford University Press 2016) Die Definition von Oxford lautet: "a photograph that one has taken of oneself typically one taken with a smartphone or webcam and uploaded to a social media website." (vgl. ebd. )

Zwei Kriterien scheinen so ein Selfie zu definieren, zum einen wurde das jeweilige Foto von der abgebildeten Person selber erstellt und zum anderen wird das auf diese Weise entstandene Bild anschließend über eine Social Media Plattform distribuiert. In jüngster Zeit tauchen in der Fachliteratur erhitzte Diskussionen auf, ob es sich beim Selfie tatsächlich um ein komplett neues Phänomen handelt. Vielleicht habe es ja vergleichbare Selbstabbildungen bereits seit der Entstehung der Fototechnik gegeben. Es lassen sich historische Fotografien finden, die die klassischen Selfieposen (ausgestreckter Arm, in den Spiegel fotografieren) bereits im 19.Jahrhundert zeigen. Auch die vor einigen Jahren unter Jugendlichen noch sehr beliebten Fotoautomatenbilder gehören zu jugendkulturellen Traditionen, die in ihrem Wesen schon einige Kriterien des Phänomens, welches wir heute "Selfie" nennen, mit sich bringen. (vgl. Autenrieth 2014)

Es gab somit schon vor dem Aufkommen des Begriffs "Selfie" Selbstporträts: Kameras wurden schon früher hochgehalten, um sich selbst zu fotografieren, oder der Selbstauslöser wurde von FotografInnen verwendet um sein Selbstbild betrachten zu können. Auf Grundlage der vorgestellten Oxford Definition lassen sich jedoch sowohl die frühen Selbstabbildungen im 19.Jahrhundert, als auch die jugendkulturelle Traditionen der Fotoautomatenbilder nicht in das Phänomen " Selfie" integrieren. Der entscheidende, hierbei fehlende Punkt ist die Herstellung eines Selbstabbildes mit der Intention des Postens über eine Social Media Plattform. Charakteristisch für ein Selfie ist nicht die Technik des Fotografierens, sondern die Kombination des Selbstabbildes und der anschließenden Distribution über die entsprechenden Social Media. Kennzeichnend für ein Selfie ist folglich in erster Linie die Verwendung als Kommunikationsmittel. (vgl. ebd.)

Andere Formen des Selbstporträts beinhalten die Funktionen der Erinnerung und der Konservierung des eigenen Erscheinungsbildes, während ein Selfie bereits mit der Intention einer Botschaftsübermittlung hergestellt wird. Viele Social Media Angebote implizieren durch ihre Präsentationsformen eine Akzentuierung des Selfies auf den Moment. Beispielsweise wird die Timeline auf Facebook kontinuierlich aktualisiert, so dass neue Selfies, die zu vor geposteten schnell überschatten. Die App Snapchat löscht die gesendeten und geteilten Fotos nach wenigen Sekunden automatisch. (vgl. ebd.)

Selfies werden in den meisten Fällen nicht gemeinsam mit dem/der ProduzentIn in einem Raum zur gleichen Zeit betrachtet. Die Rezeptionssituation hat sich im Vergleich zum früheren, gemeinsamen Betrachten eines Fotoalbums in einer direkten kommunikativen Situation, gewandelt. Der Distributionsweise entsprechend werden die Selfies räumlich getrennt vom Publikum betrachtet. (vgl. ebd.) Durch den fehlenden kommunikativen Rahmen, wie er bei gemeinsamen Betrachten von Bildern gegeben ist, entfällt eine informative Beschreibung bei dem Phänomen Selfie. Kompensiert wird dieser Aspekt sehr häufig durch schriftliche Verweise. Eine darauffolgende Kommunikation findet dann über Kommentare und Likes statt.

    "Ein Bild, das [...]keine Anschlusskommunikation in Form von Likes oder Kommentaren[...] verursacht, wird von vielen Jugendlichen entsprechend als fehlgeschlagener Kommunikationsakt gewertet."(Autenrieth 2014, S. 53)


Abbildung 5: Reaktion auf negative Resonanz in Social Media

Die hohe Präsenz von Selfies steht im Zusammenhang mit der technologischen Entwicklung. Das Smartphone ermöglicht eine schnelle Verbreitung des Selfies über soziale Netzwerke: "Mit ihnen lässt sich live mitteilen, wo man gerade ist, wie es einem geht und was man erlebt, ja mit ihnen ist eine Botschaft oft sogar schneller, witziger subtiler, dramatischer als mit Worten auszudrücken"(Ullrich 2015, S. 33)

Die Fototechnik an sich ist nicht neu, der Name jedoch: "Das einzig überraschende ist die Anzahl der Jahre, die wir gebraucht haben, um dieses Phänomen zu isolieren und zu benennen"(Coupland 2015, S.26) Nach der Definition vom Oxford Dictionary ist ein Selfie jedoch erst ein Selfie, wenn es medial verbreitet wird, wenn es in sozialen Netzwerken als Kommunikationsmittel fungiert und schon bei der Aufnahme die RezipientInnen mitgedacht werden. Der Duden simplifiziert die Definition. Das Selfie wird hier definiert als ein " mit der Digitalkamera (des Smartphones oder Tablets) meist spontan aufgenommenes Selbstporträt einer oder mehrerer Personen."(Bibliographisches Institut GmbH, 2016)

Ein weiteres, typisches Merkmal für Selfies ist die kennzeichnende Perspektive, die daraus resultiert, dass das Selfie meist aus der eigenen Armlänge fotografiert wird. Durch den kurzen Abstand zwischen ausgestreckten Arm und dem Gesicht entsteht eine etwas verzerrte Perspektive: "Das Weitwinkelobjektiv der meisten Handykameras übertreibt die Ausmaße von Nase und Kinn, und der Arm, der die Kamera hält, wirkt oftmals riesig." (Saltz 2015, S.34) Der ausgestreckte Arm, aus dessen Winkel das Selfie hergestellt wird, ist bei Saltz kennzeichnend für das Selfie. Zur Veranschaulichung der hier beschriebenen prototypischen Selfiepose soll ein Selfie von Ryan Gosling (dienen. Dieses Bild entstammt einem Fotoprojekt des Fotografen Jonas Uger, der Prominente dazu aufforderte, ein selbstausgelöstes Porträt von sich zu schießen. (vgl. Bieber 2015)


Abbildung 6: " Ryan Gosling von Jonas Uger".In: Bieber, Alain (2015): Ego Update. Düsseldorf. NRW- Forum- Düsseldorf, S.255)


3.3 Selbstinszenierung

Das Bedürfnis der Selbstinszenierung ist nicht neu. Stieger (2015) betont, dass Menschen schon immer den Drang zur Darstellung der eigenen Person hatten. Das Bedürfnis nach Selbstinszenierung und das Verlangen eigene Lebensentwürfe mit anderen zu teilen, insbesondere dann, wenn das Subjekt positive Resonanz erhält, ist kein neues Phänomen, welches sich mit dem Aufkommen des Web 2.0 erst etabliert hat. (vgl. ebd.) Die Art der Selbstinszenierung über das Selfie stellt eine neue Ausdrucksform dar, doch der Drang nach einer Darstellung des Selbst verspürten Subjekte auch schon lange vor dem Aufkommen des Selfies. Stiegler(2015) sieht in Selfies den Wunsch einer Sichtbarkeit in einer globalen Welt: " In Selfies und allen Informationen über uns, die wir bewusst mir anderen online teilen, steckt ebenso dieser Wunsch wahrgenommen zu werden, der in einer globalisierten Welt nur noch wichtiger erscheint. (vgl. ebd., S. 71)
Die verfügbaren Ressourcen und damit die Art der Selbstdarstellung haben sich entwickelt. Selbstdarstellung und Wahrnehmung sind abhängig vom historischen Zeitalter. (vgl. Balsam 2010) Wir wissen, dass wir von der Umwelt wahrgenommen werden und somit ist die Selbstinszenierung stets beeinflusst von dem "Bewusstsein der eigenen Sichtbarkeit in der …ffentlichkeit." (Balsam 2010, S. 11) Selbstinszenierung ist folglich nach Balsam (2010) abhängig von der Wahrnehmung der Umwelt: " Der optimalen Selbstpräsentation im Alltag voraus geht meist die Vorstellung der Blicke von anderen, bzw. des äußeren Blicks, durch den der Einzelne in der …ffentlichkeit wahrgenommen wird und dem er sich in vorteilhafter Form präsentieren will."(vgl. ebd., S.11)
Die Selbstdarstellung über ein Selfie ist abhängig von inneren und äußeren Anforderungen. Das Selfie fungiert als Spiegel der eigenen äußeren Erscheinung, über eine SNS kann das Selbst "vor dem diffusen Blick der anderen in der …ffentlichkeit selbst von außen betrachtet und reguliert werden."(Balsam 2010, S. 12)
Die Veröffentlichung des Selfies auf einer SNS ist abhängig davon, welche Bilder der/die FotografIn von sich selbst als vorteilhaft und schön bewertet. Unser ästhetisches Empfinden ist jedoch auch von gesellschaftlichen und kulturellen Idealen geprägt.

    "Da die vorteilhafte Präsentation sich an den hegemonialen Wahrnehmungs- und Darstellungskriterien einer Kultur orientiert und ihre Vorbilder dem kulturellen Bilderrepertoire des Screen entnimmt, wird eine, in dieser Kultur sozialisierte Person vor allem die Bilder von sich als schön und schmeichelhaft empfinden, die diesen Kriterien weitestgehend entsprechen."(Balsam 2010, S.76)

SelfieproduzentInnen verwenden von der Gesellschaft vorgegebene und sozial anerkannte Vorlagen der Selbstinszenierung. Diese Vorlagen werden durch Medien bereitgestellt und präsentieren ein Idealbild. "Wir lernen, uns selbst mit den Augen der Kamera zu sehen; sich für attraktiv halten, heißt, nichts anderes als zu glauben, dass man auf einem Foto gut aussehen würde." (Balsam 2010, S. 43)

Das Abbild des Selbst, welches einen Augenblick festhält dient als "Bezugspunkt, zu dem er immer wieder zurückkehren kann, als Zeugnis, dessen er folglich immer noch darstellt"(Balsam 2010, S. 76)


Zwischenfazit

Wir leben in einer globalisierten, fluiden Welt, unser Alltag wird immer schneller und ist geprägt von dem Vorhandensein sehr vieler verschiedener Lebensorte. Möglicherweise liegt der Reiz an einem Selfie daran, sich selbst zu dokumentieren und einen Ort oder ein Erlebnis festzuhalten. Wir zeigen mit einem Selfie uns selbst und anderen, dass wir noch da sind. Wir stellen uns selbst auf Social Network Sites dar, jedoch nicht nur aus purer Eitelkeit, sondern auch um unsere Identität zu konstruieren, zu modifizieren und immer wieder neu zusammenzustellen. Welches Selfie wir letztlich auf eine SNS veröffentlichen, ist abhängig davon, welches Bild wir selbst von uns als schön und vorteilhaft bewerten.

    "Da die vorteilhafte Präsentation sich an den hegemonialen Wahrnehmungs- und Darstellungskriterien einer Kultur orientiert und ihre Vorbilder dem kulturellen Bilderrepertoire des Screen entnimmt, wird eine in dieser Kultur sozialisierte Person vor allem Bilder von sich als schön und schmeichelhaft empfinden, die diesen Kriterien weitestgehend entsprechen" (Balsam 2010, S.76)

Zusammenfassend lässt sich Identität definieren als die Fähigkeit, "dass jemand Ich sagen kann." (Schorb 2004, S. 81) Die momentane gesellschaftliche Situation zeichnet sich durch Prozesse der Globalisierung, Individualisierung und Pluralisierung aus, was mit dem Verlust traditioneller Identitätsmodelle einhergeht. (vgl. Röll 2014) Eine Kontrolle über die langfristige Lebens- und Berufsplanung ist nicht mehr garantiert und die Kurzfristigkeit steigt an, diese Phänomene implizieren die Notwendigkeit einer eigenen Konstruktion der individuellen Identität. Die stabilen Orientierungsangebote sind heute sehr limitiert: " Subjekte erleben sich als Darsteller auf einer gesellschaftlichen Bühne, ohne dass ihnen fertige Drehbücher geliefert werden." (Keupp 2000, S. 117) Subjekte sind Darsteller auf einer gesellschaftlichen Bühne (vgl. Goffmann 1997) Identität muss also als eine kreative Eigenleistung des Individuums verstanden werden. Diese Eigenleistung impliziert Freiheiten, aber auch eine neue Unsicherheit.(vgl. Schorb 2009, S. 85) In der Postmoderne hat die Identitätsfindung sich zu einer individuellen Herausforderung entwickelt.(vgl. Tillmann 2014) Die Notwendigkeit einer flexiblen Persönlichkeit, die schnell auf flexiblen Kapitalismus reagiert und neue Innovationen adaptiert, resultiert aus den aktuellen gesellschaftlichen Strukturen (vgl. Sennett 1998) Eine flexible Persönlichkeitsentwicklung resultiert aus den postmodernen Bedingungen. "Identität ist nach diesem Verständnis vergleichbar mit einem Projekt, das sich mithilfe von Selbstreflexion ständig verändert. Dadurch rückt die Selbsterzählung in den Mittelpunkt" (Röll 2010, S. 216)

Schorb (2009) sieht in den Medien für Jugendliche in der heutigen Gesellschaft eine Chance. Medien sind "Material für ihre Identitätsarbeit" (vgl. ebd., S. 81)

Medien bieten eine Plattform für Identifikation und Übernahme von vorgelebten Identitätsmustern einerseits und ermöglichen andererseits die eigene, entwicklungsrelevante Produktion von Inhalten, welche auf soziale Anerkennung überprüft werden können. (vgl. Witzke 2004)



4. Narzissmus im Cyperspace?!

Die wohl größte Angst, die der Teil der Gesellschaft, welcher sich noch gegen die Social Media und die damit verbundene neuartige Form der Selbstdarstellung sträubt, in sich trägt, ist die Sorge, dass unsere Gesellschaft zu Narzissten mutiere. Die Diagnose der Selbstliebe des Jünglings Narziss ist umgangssprachlich weit verbreitet. Selfies im Netz erwecken den Anschein, dass wir von Narzissten umgeben sind. Leidet unsere Gesellschaft tatsächlich unter einer kollektiven Persönlichkeitsstörung? Narzissmus wird häufig verwechselt mit einem hohen Selbstwertgefühl, im Alltag werden die Begriffe fälschlicherweise sehr oft synonym verwendet. Um zu verdeutlichen, dass Narzissmus ein Krankheitsbild ist und nicht leichtfertig gleichgestellt werden darf mit der Selbstinszenierung in Social Media, wird der Begriff des Narzissmus im folgenden Kapitel definiert und abgegrenzt.


4.1 Der Narzissmusbegriff

In der alten griechischen Mythologie wird wir von einem jungen Mann berichtet, der die Liebe anderer ständig zurückweist und sich unsterblich in sein eigenes Spiegelbild verliebt:

Im alten Griechenland wuchs Narcissus als Sohn der Nymphe Leiriope und des Fluggottes Kephissos zu einem wunderhübschen Knaben heran. Schon bei der Geburt fragte seine Mutter den Seher Teiresias nach dem zu erwartenden Lebensalter ihres Neugeborenen. Der Seher Teiresias sagte ein hohes Lebensalter voraus, aber nur, " wenn er sich selbst nicht schaue". (vgl. Vogt-Spira 2002, zitiert nach Mara, S. 51)

Sowohl Männer als auch Frauen verliebten sich in den schönen Narcissus. Darunter auch die Nymphe Echo, die ihre Stimme verloren hatte und nur die Worte anderer wiedergeben konnte, verfiel dem Anblick des Narcissus. Leider blieb ihre Liebe verborgen und sie zerbrach daran, bis nur noch ein Widerruf ihrer Stimme übrig blieb. Einem anderen Verehrer ließ Narcissus ein Schwert zukommen, mit welchem sich der Unglückliche das Leben nahm. Dieses Verhalten des Narcissus gefiel den Göttern nicht und so bestraften sie Narcissus mit unerfüllter Liebe zu sich selbst. Als Narcissus eines Tages an eine Quelle kam, um Wasser zu holen, sah er sein Spiegelbild im Wasser, und in diesen Anblick seiner selbst verliebte er sich unstillbar. Narcissus starb an der Unerfüllbarkeit seiner Selbstliebe und sein Leichnam verwandelte sich in eine Narzisse.

Am Ende der Spätantike wird diese Sage zu einem moralischen Gleichnis. Im Mittelalter wird das Spiegelbild des Narcissus im Wasser beschrieben, als " Spiegel der Eitelkeit". Die Geschichte vom Narcissus thematisierte Eitelkeit und Spiegelsucht. (vgl. ebd.)

Der griechische Mythos vom Jüngling "Narcissus" gab dem klinischen Phänomen des Narzissmus seinen Namen. (Wieseler 1856, zitiert nach Dammann, Gerhard) Narcissus stirbt an seiner Selbstbezogenheit, daraus lässt sich schließen, dass der Narzissmus eine Krankheit ist, die tödliche Folgen haben kann. (vgl. ebd.)


Abbildung 7: Echo und Narcissus, John William Waterhouse, 1903

(vgl. National Museum Liverpool )

(Bildquelle: http://www.liverpoolmuseum,org.uk/walker/collections/20c/water-house.aspx)

Friedrich Schegel sieht in Narcissus eine Figur, die die Selbstreflexion verkörpert. (vgl. ebd., zitiert nach Mara, S. 53) Um 1900 wird der griechische Mythos um Narcissus zum Beispiel der Problematik "neuzeitlicher Subjektivität" in der "modernen Theorie vom Ich". (vgl. Mara, S. 53)

Der Begriff Narzissmus kommt nach zahlreichen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit dem Thema " Subjekt- Objekt- Grenzen" und " Sein-Ich versus Schein- Ich" auf. Nervenärzte und Sexualwissenschaftler gebrauchen den Begriff zur Diagnose von Nervenschäden und Homosexualität. Eine klassische Definition von Moore und Fine (1967, S. 62) beschreibt Narzissmus als eine Konzentration des seelischen Interesses auf das eigene Selbst. Diese Definition verdeutlicht, dass es ein gewisses Ausmaß an Narzissmus geben kann, von einem normalen, angemessenen Narzissmus bis hin zu einer schweren, narzisstischen Störung. (vgl. ebd., zitiert nach Dammann, Gerhard)

Bei einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung prävalieren die Beschäftigung mit der eigenen Person und dem eigenen Selbstwert die Beziehungen zu anderen Menschen sowie die Interaktionen mit den Mitmenschen. (vgl. ebd., S. 17) Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung vergleichen sich zum Beispiel andauernd mit anderen Personen, sie haben das hohe Bedürfnis nach Anerkennung und Neid.

Typische Symptomatologie bei einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung und diagnostische Kriterien

Es gibt Symptome, die allerdings noch keinen ausreichenden Beweis für die Existenz einer narzisstischen Pathologie darstellen, jedoch gemeinsam mit signifikanten Verhaltensauffälligkeiten in jedem Fall sehr typische Kennzeichen für narzisstische Pathologien bieten:

    - stärkere Stimmungsschwankungen
    - Wutanfälle
    - entwertet andere sehr stark
    - Zynismus
    - benutzt andere, um eigene Ziele zu erreichen
    - Neid oder das Gefühl, beneidet zu werden
    - rühmt sich ständig seiner Härte
    - lässt andere wenig zu Wort kommen
    - kann im beruflichen Kontext keinen Nachfolger aufbauen
    - Suchttendenzen
    - kann sich an Erfolgen nicht wirklich freuen
    - Person wirkt trotz Erfolg "leer"
    - Kritiker werden als Feinde betrachtet
    - Bisexualität
    - (vgl. Dammann, Gerhard, S. 17f.)

Nach dem Klassifikationsmanual psychischer Störungen DSM-IV der amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung wird die narzisstische Persönlichkeitsstörung definiert durch ein "tiefgreifendes Muster von Großartigkeit (in der Fantasie oder im Verhalten), einem Bedürfnis nach Bewunderung und einem Mangel an Einfühlungsvermögen." (vgl. ebd., zitiert nach Dammann, Gerhard, S. 18)

Der Chefarzt für Psychiatrie am Asklepios- Klinikum Nord in Hamburg, Lammers betont: "Viele Eigenschaften, die man heute gern narzisstisch nennt, sind durchaus gesund." Lammers räumt zwar ein, dass dieses selbstverliebte Verhalten vielleicht einige Menschen in der Umgebung nerven kann, aber "nicht jeder, der stört, ist auch gestört."(vgl. Lammers, zitiert nach Gibis 2016) Auch der narzisstische Dauer- Poster auf Facebook, Instagram und Co ist laut Lammers nur ein Mythos. (vgl. ebd.)

Selbstvertrauen stärkt die Psyche und Studien belegen, dass Personen die im Netzt viele Fotos von sich posten, nicht selbstvernarrter sind als andere. (vgl. ebd.) Natürlich ist die Grenze zum Übergang zum Krankheitsbild nicht immer klar definierbar, denn der Übergang ist oft fließend. Beim Narzissmus handelt es sich um einen psychischen Defekt, der die Eigenliebe zur Ich- Sucht heranwachsen lässt. Ein Narzisst hält sich selbst für großartig, er ist voll von Fantasien seiner eigenen Macht und Schönheit gegenüber. Empathie fehlt einem Narzissten, die Menschen in seiner Umgebung fungieren als Spiegel seiner Großartigkeit. (vgl. ebd.) Eine versteckte Form des Narzissmus ist unter Psychologen als "Narzissten im Schafspelz" bekannt. "Dieser verdeckte, verletzliche Typ gibt sich bescheiden, wirkt unsicher. Innerlich lebt er ebenso in dem Wahn, einzigartig und überragend zu sein." (Gibis 2016)


4.2 Selbstdarstellung versus Narzissmus

"Me ME ME Generation" In zahlreichen Berichten wird die Selbstinszenierung unserer Generation gleichgestellt mit einer narzisstischen Haltung. Unsere Generation zeichne sich vor allem durch Selbstverliebtheit und krankhaften Narzissmus aus. (vgl. Stiegler 2015) Das beliebte und oft gebrauchte Selfie stelle einen Hyperindividualismus und Egoismus dar. (vgl. Ullrich 2015) Eine Jugendumfrage (2015) zum Thema: "Wertorientierung" belegt jedoch, dass Familie, Freundschaft und Partnerschaften für Jugendliche den höchsten Stellenwert besitzen. (vgl. ebd.) Die nach 1982 Geborenen sollen einer narzisstischen Generation angehören. Dies soll eine Studie von Jean Twenge belegen. Der heutige Narzissmus hänge stark mit dem Aufkommen des Internets zusammen. (Twenge 2008, zitiert nach Mara 2009) [5]

Nicole Döring (2014) entgegnet dem Narzissmus- Vorwurf der heutigen Jugend damit, dass währenddessen der Egozentrismus der eigenen Jugend in Vergessenheit geraten ist und zeitgenössische mediale Ausdrucksformen negiert werden. (vgl. ebd.) Entwicklungspsychologisch gesehen sollte hervorgehoben werden, dass "Eine gewisse Egozentrik und intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Identität und körperliche Veränderungen inklusive ausgeprägtem Selbstdarstellungsverhalten Bestandteile der Jugendphase sind, die in unserem Kulturkreis alle Generationen durchleben."(Döring 2014, S.6)

Eine Definition von Pervin (1993) soll diese Begriffe voneinander abgrenzen:

Eine narzisstische Persönlichkeit ist in " ihrem Selbstwertgefühl gestört, verwundbar gegenüber Angriffen auf das Selbstwertgefühl, hungrig auf Anerkennung durch andere, und sie ist nicht in der Lage, die Gefühle und Bedürfnisse anderer Menschen wahrzunehmen und darauf einzugehen" (Pervin 1993, zitiert nach Hobmair 1996, S. 129)


Zwischenfazit

Die synonyme Verwendung des Begriffs Narzissmus für eine Persönlichkeitsstörung in einem Kontext und für ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein ist nicht gerechtfertigt: "Während ein gesundes Selbstbewusstsein allerdings oftmals gerade auf Soliden Beziehungen zu anderen Menschen basiert, stellt sich der Narzisst sogar neben jene Personen, deren Zuneigung er wünscht, auf einen Podest." (Mara 2013, S.62) Narzissten fühlen sich nur sehr selten einer anderen Person wirklich nahe. Fehlende partnerschaftliche Beziehungen führen dazu, dass narzisstische Menschen psychisch eher labil sind. Die Frustrationstoleranz bei Narzissten ist sehr gering, sie sind anfällig für Depressionen und geraten leicht in Angstzustände. (vgl. Twenge 2006, S.68)

Das Verhalten der UserInnen des Social Web ist nicht unter diesen negativ besetzen Begriff zu fassen. Wir alle inszenieren uns, auch unabhängig von Social Media und den neuen Möglichkeiten der Selbstdarstellung. Noch lange sind wir nicht persönlichkeitsgestört, weil wir gerne unsere positivsten Seiten zur Schau stellen. Durch die vielfältigen Funktionen der Social Network Sites können die UserInnen von einem hohen Potenzial für ein gelungenes Impressions-Management profitieren. Natürlich präsentieren wir uns nicht in allen Facetten unseres Alltags. Wir zeigen immer nur Facetten von uns, wir zeigen das, was wir vermitteln wollen.

Aus diesen Gründen handelt es nach Misoch (2004) auch immer nur um konstruierte Selbstbilder bei Nutzerprofilen in Web- Communities. (vgl. ebd. S.130f, zitiert nach Mara 2013, S. 75) Ist also unsere gesamte Darstellung im Internet nur eine erlogene Konstruktion? Immerhin handelt es sich ja um echte Personen, die ihre Fotos, ihre echten Erlebnisse und Gedanken teilen. Die Kommunikationen im Social Web sind echt und es werden echte Kontakte geknüpft und gepflegt. Auch offline zeigen wir uns nicht immer im vollen Umfang, denn " wir alle spielen Theater." (Goffmann 1998)

Es ist nichts Verwerfliches daran, wenn wir unser Ego pushen lassen durch die positive Resonanz unserer Mitmenschen. Wenn Social Media als Spiegel unseres Selbst fungiert und uns Raum gibt, zu kreativen, selektiven Selbstdarstellung, dann hat das Web 2.0 unsere Gesellschaft bereichert.



5. Perspektivwechsel: Identitätsarbeit und Selfies

Medien und mediale Kommunikationsformen sind im Alltag der Menschen bereits sehr früh allgegenwärtig. Die Medien- und Freizeitwelt der Menschen hat sich gewandelt. Doch wie weitreichend ist der Einfluss des Web 2.0 auf die Persönlichkeitsentwicklung, die Identitätsfindung und die Sozialisation junger Erwachsener? Die neuen Medien sind bei sehr vielen Kindern und Jugendlichen schon im frühen Alter in digitaler Form omnipräsent, und folglich können sich die Subjekte dem Einfluss gar nicht entziehen. Aber wie ihn diesem Kapitel gezeigt werden soll, bedarf es durchaus keinem Rückzug aus der medialen Welt, denn die neuen Medien bieten viele Chancen und Bereicherungen für junge Menschen während ihrer Entwicklung.


5.1 Bedeutung der Medien für die Persönlichkeitsentwicklung

Die Bedeutung der Medien für die Persönlichkeitsentwicklung resultiert aus der Allgegenwärtigkeit dieser im Leben vieler Menschen. Die vermittelten und ausgetauschten Inhalte beeinflussen das Denken der UserInnen. Diese Inhalte und Kommunikationen über das Web 2.0 nehmen gleichermaßen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung intellektueller und sozialer Kompetenzen, wie auch auf die Entwicklung der eigenen Geschlechterrolle und der sozialen Beziehungen. Ebenso werden persönliche Werte- und Normenkonzepte über Social Media entscheidend geprägt. (vgl. Fleischer, Hajok, S. 57f)

Aus medienpädagogischer Perspektive wurde zunächst die Bedeutung der Medien in Bezug auf die Persönlichkeitsentwicklung im Jugendalter untersucht. Als Mittel unter dieser Perspektive werden bezeichnet: "Mittel der Kompensation ihrer Alltagserfahrungen und bieten ihnen als «Verallgemeinerungsinstanz` einen hohen Grad an sozialer Synthese bei ihrer Suche nach Sinn und Orientierung" (Schell 1993, S.119, zitiert nach Fleischer/Hajok, S. 56) Bereits Ende der 1970er Jahre wurden in der Medienerziehung die Medien als Instanz der lebenspraktischen Vermittlung zwischen Individuum und Gesellschaft anerkannt.(vgl. Dröge et al. 1979, zitiert nach Fleischer/Hajok, S. 56) Auch in neueren Sozialisationstheorien lassen sich ähnliche Formulierungen finden:

    "Medien liefern den Menschen kontinuierliche Muster für die Lebensgestaltung. Sie servieren professionell vorfabrizierte und routinierte Praktiken für die Lebensführung und transportieren nebenbei Leitlinien für das soziale Ansehen und Leitbilder des erfolgreichen Menschen. Mit anderen Worten: Medien avancieren zu Vorgaben für die Ausformung und Stilisierung der `persönlichen` Identität." (Zimmermann 2000, S. 196)

Zimmermann klassifiziert hier die Medien als einen prägnanten Aspekt der Sozialisation von Kindern und Jugendlichen im 21. Jahrhundert. Die Medien bringen als Orientierungsquelle auch neue Herausforderungen mit sich. Die Eindeutigkeit und die Klarheit, die die Orientierungsangebote der früheren Generationen geboten haben, sind in den neuen Medien nicht so klar gegeben. Die medialen Angebote sind sehr viel widersprüchlicher, ungeordneter, jedoch akzidentiell. (vgl. Schorb 2009, zitiert nach Fleischer/Hajok, S. 56)

Die Bedeutung der Medien für die Persönlichkeitsentwicklung der jungen Menschen hat mit der Entwicklung des Web 2.0 in den letzten Jahren rasant zugenommen. Zu den standardisierten Inhalten der klassischen Massenmedien (Bücher, Fernseher, Radio) kommen nun noch individualisierte Medien- und Kommunikationsinhalte hinzu, die im Alltag der jungen Menschen omnipräsent sind. Besondere Beachtung gilt hier den bereits in dieser Arbeit beschriebenen Sozialen Netzwerken, wie beispielsweise Facebook und Kommunikationsdiensten, wie WhatsApp sowie den nicht zu vergessenen Foto-Communities wie Instagram und Videoplattformen wie YouTube.


Abbildung 8: Apps auf dem Smartphone Jugendlicher


In diesen Social Mediaformen finden Jugendliche und bereits Kinder sehr vielschichtige Orientierungsmöglichkeiten und Vorlagen für ihre Identitätsbildung. Der Austausch und die Vernetzung sind sehr benutzerfreundlich realisierbar, ein "sehen und gesehen werden" wird ermöglicht. (vgl. Fleischer/Hajok 2006 S. 56f)

Wenger (1998) betont den Zusammenhang zwischen Identität und Gemeinschaft. Identität ist "an integral aspect of a social theory of learning" und somit nicht trennbar von Themenbereichen wie "practice, community and meaningÓ (vgl. Wenger 1998, S. 145, zitiert nach Kahnwald, S. 152)

Unter Berücksichtigung der Identitätsrelevanz von Gemeinschaften unterscheidet Wenger (1998) verschiedene Aspekte:

Zu einem wird Identität durch Interaktionen verhandelt und ist somit verbunden mit einer aktiven Partizipation. Die Konstruktion der Identität erfolgt über ein aktives Engagement und innerhalb der Erfahrungsbereichen des aktiven Handelns in einer Gruppe. "We define who we are by the ways we experience ourselves through participation. " (Wenger 1998, S. 149) Ein weiterer Punkt, um die Identitätsrelevanz von Gemeinschaften zu erläutern, ist die Zugehörigkeit oder Mitgliedschaft zu einer Gemeinschaft: " We define who we are by the familiar and the unfamiliar." (Wenger 1998, S. 149, zitiert nach Kahnewald, S. 153) Identität wird hier durch das Empfinden von Gemeinsamkeiten und durch die Abgrenzung zu Außenstehenden entwickelt. Eine reine Mitgliedschaft impliziert jedoch noch keine Partizipation. Eine Zugehörigkeit kann auch über angenommene Gemeinsamkeiten entstehen. Eine Identifikation über Ziele und Inhalte einer Community wird auch durch die Imagination der Gemeinschaft möglich. Wenger beschreibt dieses Phänomen als "mode of belonging" (vgl. Kahnewald, S. 153). Eine dritte sehr wesentliche Sichtweise Wengers auf den Zusammenhang von Gemeinschaft und Identität ist das "learning trajectory" - Identität als Lernweg. "We define who we are by where we have been and where we are going"(Wenger 1998, S. 149, zitiert nach Kahnwald)

Zur Verdeutlichung der Relevanz einer Gemeinschaft bei der Identitätskonstruktion sollen im Folgenden noch einmal die aussagekräftigsten Formulierungen von Wenger (1998) inkludiert aufgeführt werden:

  1. "We define who we are by the ways we experience ourselves through participation"
  2. "We define who we are by the familiar and the unfamiliar"
  3. "We define who we are by where we have been and where we are going"
    (Wenger 1998, zitiert nach Kahnwald S. 154 f.)

Übertragen auf Social Network Sites lässt sich festhalten: Wir konstruieren unsere Identität über die aktive Teilnahme in einer Community, aber auch schon die bloße Mitgliedschaft ist identitätsrelevant. Darüber hinaus definieren wir uns über unseren Entwicklungsprozess, wir entwickeln uns weiter in einer Community. Wir lernen von anderen Teilnehmern, unsere Partizipation steigt oder nimmt ab, und wir können unsere Entwicklung reflektieren.

Unter dieser Perspektive tangieren die Medien im digitalen Zeitalter alle Bereiche der Entwicklung junger Menschen. Es geht hier um mögliche Implikationen des Medienumgangs für die Heranwachsenden und der "oftmals unterstellte[...] direkte[n] Einfluss von Medien und ihren Inhalten auf die PersönlichkeitsentwicklungÉ" wird abgegrenzt. (vgl. ebd.)

Jugendliche nutzen Medien als Experimentierfelder, "wobei der Selbstdarstellung und dem Selbstausdruck im Prozess der Persönlichkeitsentwicklung eine tragende Rolle zukommt." (vgl. Hajok & Zerbin 2015, zitiert nach Fleischer/ Hajok 2016)


5.2 Medien als essentieller Teil der Bildung

Um Medienbildung definieren zu können, müssen wir uns erstmal mit der Begrifflichkeit Bildung auseinandersetzen. Fuchs (2008) fasst unter Bildung ganz Knapp den Prozess der Welt- und Selbstaneignung zusammen. (vgl. ebd., zitiert nach Fuchs 2015) Bildung ist also ein Prozess und wird nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeschlossen. Das Bundesjugendkuratorium bezeichnet im Jahr 2000 "Bildung als Lebenskompetenz". (vgl. ebd.) Demnach wird Bildung nicht gekennzeichnet durch reines Wissen, sondern inkludiert die Fähigkeit, das eigene Leben gut und glücklich zu gestalten. Wir Menschen sind nach Plessner (1976) als einzige Wesen dazu in der Lage, unser Leben bewusst zu gestalten. (vgl. ebd., zitiert nach Fuchs 2015) Plessner spricht von einer "exzentrischen Positionalität", damit beschreibt der Anthropologe das Vermögen des Menschen, aus seiner eigenen Mitte herauszutreten und sich somit eine Distanz zu schaffen, über die er sich selbst zum Gegenstand seiner Betrachtung machen kann. (vgl. ebd.)
Diese Fähigkeit impliziert die Freiheit von Wahlentscheidungen, diese Wahlentscheidungen existieren und der Mensch ist "quasi zu dieser Freiheit der Entscheidungen verdammt" (vgl. Fuchs, 2015, S. 40) Konkret in der heutigen Gesellschaft ist der Prozess der exzentrischen Positionierung durch die Entwicklung der Medien keineswegs aufgehoben, eher sind die Möglichkeiten einer bewussten Lebensführung noch verstärkt worden. (vgl. ebd.)

Ernst Cassier (1990) hat die Weltaneignung verstanden als eine Konstruktion der Welt. Dabei konstruieren wir verschiedene Wirklichkeiten über unterschiedliche symbolische Formen, wie etwa der Politik, der …konomie, der Sprache, der Wirtschaft, der Kunst, des Mythos und der Religion sowie der Technik. Diese symbolischen Formen sind Werkzeuge der Welt- und Selbstaneignung. Jede einzelne dieser Formen ermöglicht eine Erfassung der ganzen Welt unter einer bestimmten Perspektive. Die gesamte Summe der Möglichkeiten der Weltaneignung bezeichnet Cassier als "Kultur". (vgl. ebd.)
"Vor dem Hintergrund dieses umfassenden Kulturbegriffs kann man Bildung als den subjektiven Anteil bestimmen, den jeder Einzelne an der Gesamtheit aller Möglichkeiten der Weltaneignung hat." (vgl. Fuchs, 2015, S. 41)

Unter anderem prägte Adorno den Slogan " Kultur ist die objektive Seite der Bildung und Bildung ist die subjektive Seite der Kultur". (vgl. ebd.) Mit diesem Slogan geht auch die Darstellung des Humanisten Wilhelm Humboldt konform, der Bildung als eine wechselseitige Erschließung von Mensch und Welt definiert. Er beschreibt also Bildung als einen zweiseitigen Prozess: Die Welt wird vom Menschen aufgenommen und der Mensch nimmt entscheidenden Einfluss auf die Welt. (vgl. ebd.)
Wenn nun der Begriff der Medienbildung erschlossen werden soll, dann ist die Verbindung sehr offensichtlich, denn gerade Medien sind Vermittler zwischen Subjekt und Objekt, damit wird Kulturtheorie auch zur Medientheorie. (vgl. Schwemmer 1997, zitiert nach Fuchs, 2015)
Medien können als Mittler mit einer Doppelfunktion verstanden werden, sie trennen Mensch und Welt und verbinden diese zeitgleich. (vgl. ebd.)
Medien dienen dem Zweck der Weltaneignung, folglich ist der Umgang mit Medien als Mittler ein essentieller Teil der Lebenskompetenz und damit auch ein Teil der Bildung. Nach Cassier ist, wie bereits beschrieben, Kultur zu verstehen als Summe der symbolischen Formen, diese Summe kann als Kanon der Weltaneignung verstanden werden. Der Umgang mit Medien gehört in diesen Kanon. Folglich müsse Medienkompetenz unbedingt zur Bildung als Lebenskompetenz gezählt werden. (vgl. Fuchs, 2015, S. 43)

Für einen angemessenen Umgang mit der Medienpräsenz in unserem Alltag ist ein Rückgriff auf Humboldts Darstellung der kulturellen Dynamik. Heute, in den kulturellen Zeiten der Alltagsästhetik erweisen sich Humboldts Darstellungen als sehr hilfreich. : Humboldt ging davon aus, "dass eine Kultur ihre Welt mit den Manifestationen des menschlichen Geistes erstellt." (vgl. ebd., zitiert nach Bachmair, S. 18) Wir sehen die kulturelle Welt als Ausdruck und Resultat unseres Handelns, dabei sind die einzelnen Subjekte und Gruppen sehr unterschiedlich, in ihrer Macht die Welt mit ihrem kulturellen Beitrag zu beeinflussen oder sogar wesentlich zu prägen.
"Indem Kinder und Jugendliche das Handy in unseren Alltag einbinden und das Handy zum Teil unserer spezifischen Umgangsformen machen, greifen sie in die kulturelle Entwicklung ein". (Bachmair 2009, S. 18)
Folgende Leitlinien aus Humboldts Texten helfen dabei, die Aneignung von Medien in einer alltagsästhetisch organisierten Welt als Ausgangspunkt von Medienbildung zu betrachten:

  1. Bildung ist die Entfaltung der Kräfte der Kinder, durch die sie sich die kulturelle Umwelt aneignen und sie gestalten.
  2. Bildung zielt auf mannigfaltige Ganzheit
  3. Bildung heißt zudem, mit eigenen Spuren die kulturelle Welt zu gestalten
  4. Freiheit ist Bedingung für Bildung
  5. Bildung ist Realisierung der Vernunft
    (vgl. Bachmair 2009, S. 18)

Bildung entwickelt sich durch ein reflexives Verhältnis der Kinder ihrer sozialen, kulturellen und materiellen Umwelt gegenüber und einem reflexiven Verhältnis zu der eigenen emotionalen und kognitiven Innenwelt.

Wilhelm von Humboldt bezeichnete Sprache oder Brücher als kulturelle Manifestation. Dieser Gedanken lässt sich auf und in die heutige Medienwelt übertragen. Kindern und Jugendlichen sollten "aktuelle Archive des Wissens und der Erfahrungen im Internet" dargeboten werden. (Bachmair, S. 19) So, wie auch damals schon, ist heute immer noch eine Orientierungshilfe bei der Bewältigung der Flut an Informationen in den Medien notwendig. Auch bei der Aneignung der Medienkompetenz ist sie unabdingbar.

Wilhelm von Humboldt entwickelte Ende des 18.Jahrhunderts und Anfang des 19.Jahrhunderts ein Bildungskonzept, welches den kulturellen Produkten einer Gesellschaft eine zentrale Bildungsaufgabe zuordnet. (vgl. Bachmair, S. 25)

In der heutigen Zeit sind die vorherrschenden Kulturprodukte die neuen Medien. Die Subjekte eignen sich über die Auseinandersetzung mit den Kulturproduktionen deren Inhalte an. "Mit der Aneignung werden Kulturprodukte subjektiver Teil der persönlichen Innenwelt, die die Möglichkeiten eröffnen, sich auszudrücken und im sozialen, kulturellen und faktischen Umfeld zu handeln." (Bachmeir 2009, S. 25) Durch das Handeln gestalten wir unsere Lebenswelt aktiv. Auch heute, in der digitalen Zeit, entwickelt sich Bildung immer noch als reflexives Verhältnis des Subjekts zu der sozialen, kulturellen und materiellen Umwelt sowie im Verhältnis des Subjekts zur eigenen emotionalen und kognitiven Innenwelt. Da Medien die wohl heute dominantesten kulturellen Produkte des Alltags sind, ist der Umgang mit Medien essentiell für die individuelle Persönlichkeitsentwicklung, für die Bewältigung des Alltags und für die eigene Lebensführung. (vgl. Bachmair, S.25) Medien als kulturelle Ressourcen bergen Chancen und Zwänge der Persönlichkeitsentwicklung sowie bei der Alltags- und Lebensbewältigung in sich. Sie nehmen einen großen Einfluss auf die Gestaltung unserer Kultur. Dieses Phänomen impliziert heute auch neue Bildungsaufgaben: "So brauchen Kinder und Jugendliche pädagogische Unterstützung, um als frei handelnde Subjekte in einer demokratischen Gesellschaft die verfügbaren Ressourcen zu nutzen." Die Teilhabe an der Kultur steht in diesem Ansatz im Mittelpunkt, der dahinter stehende pädagogische Appell fordert dazu auf, die Medien als Ausdrucks- und Gestaltungsmittel zu gebrauchen.


5.3 Der Medienbegriff

Technische Medien verändern sich gegenwärtig noch stetig, beeinflussen und verändern gravierend unseren Alltag. Kinder wachsen heute in Mitten dieser Veränderungen auf und neben ihrer "schweren Arbeit des Wachsens stehen sie auch noch zeitgleich vor Herausforderungen, die Chancen und Risiken der Medien zu erkennen, zu bewerten und zu nutzen. "(vgl. Korzcak, Janusz 1999, zitiert nach Hübner 2015, S. 11) Die aktuelle, permanente Gegenwart der Medien impliziert die Notwendigkeit des Verstehen und Beherrschen der neuen Medien, um einen sinnvollen Umgang zu gewährleisten. Eine Medienkompetenz gehört also im digitalen Zeitalter besonders zu den Schlüsselqualifikationen, die jedes Individuum erwerben und ausbauen sollte. Bevor wir uns jedoch der Medienkompetenz zuwenden, sollte zunächst der Medienbegriff geklärt werden:

"Medium" im Singular ist eine "Bezeichnung für jede Art eines Trägers oder Übermittlers von Bedeutungen, Informationen und Botschaften [...] im Plural, Bezeichnung für gesellschaftliche Träger- bzw. Vermittlungssysteme für Informationen aller Art." (Brockhaus 1998, Bd.14, S. 104, zitiert nach Hübner 2015, S. 64) Medien haben also die Hauptfunktion der Informationsvermittlung. Die Art der Träger hat sich im digitalen Zeitalter verändert.

Wikipedia definiert "Medium (Kommunikation)" auf folgende Weise:

    "Ein Medium [..] ist nach neuerem Verständnis ein Vermittelndes im ganz allgemeinen Sinn. Das Wort "Medium" in der Alltagssprache lässt sich oft mit Kommunikationsmittel gleichsetzen.[...] Der Plural Medien wird etwa seit den 1980er-Jahren für die Gesamtheit aller Kommunikationsmittel und Kommunikationsorganisationen verwendet und regt mit Schlagworten wie Medienkultur zu interdisziplinären Fragestellungen zwischen technischen, wirtschaftlichen, juristischen, soziologischen und psychologischen Sachverhalten an."(Wikimedia Foundation 2016)

Medien sind folglich Kommunikationsmittel, die zwischen Empfänger und Sender vermitteln. Der Medienwissenschaftler Werner Faulstrich (2004) beschreibt ein Medium als "ein institutionalisiertes System um einen organisierten Kommunikationskanal von spezifischen Leistungsvermögen mit gesellschaftlicher Dominanz". (vgl. ebd., S. 12)

Die Allgegenwärtigkeit des Wortes Medium führt zu dem Trugschluss, dass jede Verwendung des Begriffs das gleiche ausdrückt und der Fakt, dass der Medienbegriff in der Wissenschaft sehr differenziert zu verstehen ist, wird oft übersehen. (vgl. Hübner, Edwin, S. 65) Als Reaktion auf die Verschwommenheit des Medienbegriffs und der großen Bedeutungsvielfalt beschreibt der Medienpädagoge Bernhartd Hoffmann (2003) vier Felder, angelegt zur differenzierten Betrachtung. :

  1. Der kulturphänomenologische Medienbegriff definiert Medien als einen materiellen Zeichenträger. Jedes Zeichen (z. Bsp. ein Denkmal, ein Verkehrszeichen, die menschliche Sprache) wird als Medium angesehen.
  2. Der kommunikationswissenschaftliche Medienbegriff begreift unter Medien die sogenannten Massenmedien (Buch, Presse, Rundfunk, Film, Fernsehen, CD, Foto, DVD,É, Computer).
  3. Der pädagogisch- didaktische Medienbegriff versteht unter Medien alle Dinge, die für Lehr- und Lernzwecke (Tafel, Schreibtisch, Overheadprojektor, Beamer usw.) nutzbar sind.
  4. Unter kultur- und sozialpädagogischem Blickwinkel werden dabei alle kreativen Formen des Ausdrucks (Musik, Tanz, Theater, Spiel usw.) zusammengefasst.

In vielen weiteren Fachgebieten wird der Medienbegriff jedoch unter einem anderen Bedeutungsaspekt verwendet. Beispielsweise in der Chemie werden Stoffe, die andere Stoffe aufnehmen können als Dispersionsmedien bezeichnet und in der Physik ist die Luft ein Medium. (vgl. ebd. )

Die Vielfalt des Medienbegriffs ist gleichzeitig beeindruckend, wie auch verwirrend und so bringt der Professor Lambert Wiesing dieses Dilemma auf den Punkt:

"Schaut man sich die gegenwärtige Medienwissenschaft an, so könnte sich der Eindruck einstellen, dass man sich besser nicht mit der Frage ,Was sind Medien?Ô , sondern stattdessen mit der Frage ,Was ist kein Medium?Ô befassen sollte." (ebd., zitiert nach Hübner, Edwin s. 66)

Ein Medium kann folglich alles sein. In dieser Arbeit, in der die Social Media in Bezug auf ihren Einfluss auf Jugendliche diskutiert werden, bietet sich eine medienpädagogische Begriffsdefinition an:

"Medien sind Mittler, durch die in kommunikativen Zusammenhängen potenzielle Zeichen mit technischer Unterstützung übertragen, gespeichert, wiedergegeben oder bearbeitet und in abbildhafter oder symbolischer Form präsentiert werden. Im Vorgang der Kommunikation werden potenziellen Zeichen Bedeutungen von den an der Kommunikation beteiligten Personen zugewiesen."(Tulodziecki/Herzig 2002, S. 64, zitiert nach Hübner)


5.4 Partizipation und Engagement im Netz

Social- Web- Anwendungen werden von Menschen dazu genutzt, sich einzubringen, sich zu beteiligen, sich einzumischen und mitzuwirken. (vgl. Wagner/Brüggen 2012) Durch die neue Netzkultur hat sich die Gesellschaft in Bezug auf den Konsum von Informationen, auf die Art an Informationen zu gelangen, sowie selbst Meinungen und Informationen weiter zu geben, verändert. In diesem Kapitel wird diskutiert, inwiefern die Beteiligungsmöglichkeiten über Netzangebote wirkliche Partizipation bieten.

In pädagogischen Ansätzen wird Partizipation als "permanenter Lernprozess möglichst vieler Menschen" definiert. (Stange 2007, S. 10, zitiert nach Wagner/ Brüggen 2012) Geulen (1977) beschreibt in diesem Zusammenhang den Menschen als gesellschaftlich handlungsfähiges Subjekt. Das Subjekt ist zur Reflexion fähig, trifft eigene Entscheidungen und kann durchaus die Perspektive anderer übernehmen. (vgl. ebd., zitiert nach Wagner/ Brüggen)

Jugendliche müssen partizipative Interaktionsformen erlernen. Sie müssen die Möglichkeiten der Partizipation in ihrem Handlungsrepertoire erkennen und erlernen, in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen von der Partizipation Gebrauch zu machen.

"In der pädagogischen Arbeit geht es in der Folge darum, Möglichkeiten zur Partizipation in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen zu schaffen und dort Formen von Beteiligung und Facetten von Selbstbestimmung für sie erfahrbar und damit erlernbar zu machen."(Wagner/Brüggen 2012, S. 23) Das handlungsfähige Subjekt steht zusätzlich vor der neuen Herausforderung, seine Fähigkeiten im Umgang mit Medien weiter auszubauen, denn im Zuge einer fortschreitenden Mediatisierung ist die Teilhabe an relevanten Themen sehr eng gekoppelt mit den neuen Medien. (vgl. ebd.) Meist wird mit Partizipation auch ein bestimmter Ort, ein Raum in Verbindung gebracht. Galt früher beispielsweise der griechische Polis als Idealtypus eines öffentlichen Raumes für demokratische Willensbildungsprozesse, so sind heute dagegen diese Prozesse nicht mehr eng an einen bestimmten physikalischen Raum gebunden. Durch die medialen Werkzeuge kann Partizipation orts- und zeitunabhängig stattfinden. (vgl. ebd.)

Ein Raum für Engagement und Partizipation besteht selbstverständlich noch, doch aus der Perspektive der Sozialökologie ist Raum " kein statisches Gebilde, sondern stellt vielmehr einen Kontext dar, in dem soziale Beziehungen eingelagert sind und in dem komplexe soziale Interaktionen realisiert werden". ( Lange/Zerle 2016, S. 67, zitiert nach Wagner/ Brüggen S. 23) Im sozialpädagogischen Kontext verwenden wir den Begriff des Sozialraumes. In diesem Sozialraum findet die "Entwicklung des Menschen als tätige Auseinandersetzung mit seiner Umwelt und als Aneignung der gegenständlichen und symbolischen Kultur" statt. (Deinet 2009, S. 2, zitiert nach Wagner/ Brüggen S. 23) Der Sozialraum fungiert als Sinngebung für die Subjekte im Rahmen ihres Handelns. (vgl. ebd.) Die Räume, in denen wir uns heute bewegen, sind von uns Menschen geschaffen. Wir gestalten, verändern und strukturieren unsere Umwelt, gleichzeitig strukturieren auch die Räume unser Handeln. Die Räume haben Möglichkeiten und Begrenzungen, die sich auf unseren Aneignungsprozess auswirken. Sie setzen einen bestimmten Rahmen für die Aneignungsprozesse der Subjekte: " inwieweit Aneignung als Eigentätigkeit stattfinden kann, hängt wesentlich von den äußeren Bedingungen und Anregungen ab". (Deinet 2009, zitiert nach Wagner/ Brüggen S. 24) Der Sozialraum von Kindern und Jugendlichen, der die Medien inkludiert, bildet den Resonanzraum der Lebensführung. Junge Menschen knüpfen und pflegen Beziehungen im Social Web, sie eignen sich hier Wissen an und nutzen die vielfältigen Orientierungsangebote.

Mit den zeitgenössischen Phänomenen der Digitalisierung und Mediatisierung haben sich die Räume der jungen Menschen verändert. Röll (2009) beschreibt den Prozess der " vireale[n] Sozialraumaneignung". Jugendliche sind dazu aufgefordert, sich mit ihrem Selbst und mit der sozialen, symbolischen und materiellen Umwelt auseinanderzusetzen. In dieser Umwelt sind Virtualität und Realität nicht weiter separat zu betrachten, eher stehen sie in einer ergänzenden Wirkung zueinander.

Wir betrachten also die Medien und deren Angebote im Web 2.0 als Mitmachnetz, nicht als eine separate Welt, sondern als eine Ergänzung von unserem Sozialraum und damit unserem Kontext für Partizipation.

Angebote des Mitmachnetzes bieten noch viel mehr als nur reines Rezipieren medialer Inhalte. Jede/r NutzerIn kann selbst Inhalte gestalten und publizieren. Das Web 2.0 subsumiert viele Angebote und Möglichkeiten, insbesondere werden neue Wege der Kommunikation eröffnet. Auf Social Network Sites artikulieren sich Jugendliche auf vielfältige Weise. Neben der Darstellung der eigenen Person können neue Themen vorgeschlagen, Meinungen vertreten, und Standpunkte artikuliert werden.

Die aktuellen medialen Entwicklungen realisieren nach Jenkins (2008) eine "participactory culture" (ebd., zitiert nach Wagner/ Brüggen).In dieser participactory culture findet Teilhabe in alltäglichen medialen Handlungen statt. (vgl.ebd.) Durch technische Neuerungen können wir jederzeit und allerorts an Interaktionen teilhaben. Im Netz können durch die einfache Handhabung von Partizipation gesellschaftlich relevante Diskussionen angezettelt, sowie Veränderungen bewirkt werden.

Ein Beispiel für Partizipation im Netzt soll die Markteinführung des Computerspiels Battlefield 3 aufzeigen. : Bei der Veröffentlichung des Spiels waren die Spielbegeisterten empört über die Bedingungen und den Umgang mit den persönlichen Daten der Nutzer. Auf www.amazon.de entwickelte sich rasend schnell ein riesiger Protest, tausende NutzerInnen gaben eine schlechte Bewertung ab, um so Aufmerksamkeit zu erlangen. Der dadurch entstandene Druck auf die Anbieter des Spiels führte tatsächlich zu kleinen Veränderungen in den Bestimmungen. (vgl. Wagner/ Brüggen S. 26)

Ein gesellschaftlich handlungsfähiges Subjekt kann im Netz mitwirken und gesellschaftliche, politische sowie persönlich relevante Aspekte mit beeinflussen.

Schröder (1995) beschreibt in seinem Stufenmodell Formen der Beteiligung, die von der Teilhabe bis hin zur Mitbestimmung reichen Er definiert Formen der Selbstbestimmung und der Selbstverwaltung. Als eine weitere Form der Beteiligung skizziert er Fehlformen. :

    Fehlformen

    - Beteiligung
    - Selbstbestimmung
    - Fremdbestimmung
    - Dekoration
    - Alibi- Teilnahme
    - Teilhabe
    - Mitwirkung
    - Mitbestimmung
    - Selbstbestimmung
    - Selbstverwaltung
    (Zusammenfassung der Partizipationsformen, in Anlehnung an Wagner 2011, S.164, zitiert nach Wagner/ Brüggen, S. 27)

Dieses Modell dient einer guten Übersicht über die verschiedenen Formen der Partizipation von Jugendlichen in Online- Räumen. Es lassen sich verschiedene Formen der Beteiligung im Medienhandeln erkennen. Eine Positionierung durch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder über Statements gehört zur einfachen Form, zur Teilhabe. Durch verschiedene Formen des Sich-Einbringens ist die Mitwirkung möglich. Sich- Einbringens ist die Mitwirkung möglich. Sich- Einbringen können Jugendliche durch die aktive Mitgestaltung des medialen Raumes, durch das Herstellen und Posten von eigenen Werken.


5.5 Herausforderungen für die Medienbildung

Die Jugendlichen der heutigen Generation möchten vor allem Teilhaben. Den Jugendlichen geht es nach Aussage der Shell - Studie 2010 vor allem darum, nicht rauszufallen, sondern sich gelungen anzupassen (vgl. Albert/Hurrelmann/Quenzel 2010, zitiert nach Tillmann) Wie bereits im vorrangegangenen Kapitel dargestellt wurde, ist eine Teilhabe der Jugendlichen vor allem online, in sozialen Netzwerken, denkbar. Im Netz treffen die Jugendliche auf gleichgesinnte, hier können sie sich selbst darstellen und mitteilen. Das Netz wird zum Raum für Selbstexperimente.

Für die Pädagogik stellt sich die Aufgabe, den Jugendlichen Taktiken und Kompetenzen "im Umgang mit den Widersprüchen und gesellschaftlichen Herausforderungen auf ihrem Weg zu einer gefestigten Persönlichkeit" zu geben. (Tillmann 2008, S. 49) Die Chancen des Social Webs sollten den SchülerInnen nicht vorenthalten werden, aber auch die Risiken dürfen nicht ungeachtet bleiben. Wichtig ist es, mit den Jugendlichen Probleme des Social Webs zu thematisieren und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Auch wenn eine Selbstdarstellung unterstützt werden soll, muss immer noch einer Gefährdung der eigenen Person bzw. der Intim- und der Privatsphäre vorgebeugt werden. (vgl. ebd.)


6. Beschreibung und Auswertung des Fragebogens zum Thema Social Media

Um Informationen von Personen zu einem bestimmten Themenbereich zu erhalten kann die Befragungsmethode Fragebogen verwendet werden. Im Anschluss können die Fragebögen ausgewertet und interpretiert werden. Der Fragebogen gehört zu einer wissenschaftlichen Methode, wenn die zu erforschende Fragestellung sinnvoll mit den formulierten Fragen verknüpft und anschließend ausgewertet wird. (vgl. Henz 2011, S. 80)

In meiner Forschung habe ich mich für die quantitative Forschungsmethode des Fragebogens entschieden. So konnte ich in kurzer Zeit viele SchülerInnen befragen. Dadurch, dass alle SchülerInnen die Fragen schriftlich beantwortet haben, waren zugleich eine gute Vergleichbarkeit und ebenso gute Möglichkeiten der Interpretation gegeben.

Für die erfolgreiche Erstellung eines Fragebogens muss die Qualität und die Auswertbarkeit der Ergebnisse durch eine genaue Vorbereitung sichergestellt werden. Dazu diskutierte ich zunächst gemeinsam mit einem Kommilitonen während mehrerer Brainstorming, folgende Fragen:

  1. Was will ich fragen?
  2. Was ist das genaue Anliegen der Untersuchung?
  3. Worauf möchte ich Antworten bekommen?
  4. Was will ich genau wissen?
  5. Welche Fragen/Annahmen gibt es, die ich überprüfen will?
  6. Welche Themen sind interessant für die Diskussion meiner Fragestellung?
  7. Welche weiteren Fragen aus dem Kontext der Social Media können einen Ausblick für weitere Denkanstöße geben?
  8. Welche Personen/ Gruppen sollen befragt werden?
  9. Wie viele Personen müssen befragt werden, damit eine verlässliche Datenbasis resultieren kann?
  10. Wie viele SchülerInnen können tatsächlich im Rahmen dieser Arbeit befragt werden (Aufwand)?

Formulierung der Fragen

In dem, für meine Forschung erstellten Fragebogen habe ich mit geschlossenen und offenen Fragen gearbeitet. Die geschlossenen Fragen dienen der Erhebung numerischer Werte. Es geht um die Häufigkeit der Nutzung von digitalen Medien und um die Nutzung verschiedener Social Network Sites. Das Ziel war aber auch, die persönlichen Vorlieben, Einstellungen und Meinungen der SchülerInnen zu erhalten. Dazu wurden verschiedene Antwortmöglichkeiten vorgegeben. Durch eine Mischung aus offenen und geschlossenen Fragen sollten die SchülerInnen während des Ausfüllens des Fragebogens bis zur Vollendung der letzten Frage stetig motiviert werden.

Zur Erprobung der Verständlichkeit, der Eindeutigkeit und der Sinnhaftigkeit der Fragen, wurde der Fragebogen vorab von einer kleinen Gruppe Jugendlicher ausgefüllt.

Vor der endgültigen Ausgabe des Fragebogens wurde ein Elternbrief an die Erziehungsberechtigten der teilnehmenden SchülerInnen verteilt, in welchem das Thema, die Zielsetzung und der Verwendungszweck geschildert sowie ihr Einverständnis zur freiwilligen Teilnahme ihrer Kinder abgefordert wurde.


Der Fragebogen


Teil 1 : Frage 1- 6 : Besitz und Verwendung digitaler Medien

1. Ich besitze folgende digitalen Geräte:

Welche digitalen Geräte besitzen die SchülerInnen?

    o Smartphone
    o Laptop/Notebook
    o Tablet
    o Computer
    o Fernseher im Haushalt
    o eigener Fernseher im Zimmer
    o Smartwatch
    o ______________
    o ______________

2. Welche Apps hast du auf deinem Smartphone?

Welche Social Network Sites begleiten die Jugendlichen auf ihrem Smartphone?

o Whats App ? ______________

o Facebook ? ______________

o Instagram ? ______________

o Snapchat ? ______________

o Wordpad ? ______________

o Twitter ? ______________

o Youtube ? ______________

o Skype ? ______________

3. Welche dieser Apps benutzt du am häufigsten? (Bitte erstelle ein Ranking, wobei 1 die am häufigsten verwendete App darstellt.)

Wie ist der aktuelle Trend bei den Jugendlichen? Welche Apps liegen in der Nutzung ganz weit vorne?

1.
2.
3.
4.

4. Welche digitale Geräte nutzt du im Unterricht und wozu nutzt du sie? (offene Frage)

Werden im Unterricht digitale Geräte sinnvoll von den SchülerInnen eingesetzt?

5. Welche digitalen Geräte benutzt dein/e LehrerIn? (offene Frage)

Werden im Unterricht digitale Geräte sinnvoll von den LehrerInnen eingesetzt?


Teil 2 : Frage 6- 13 : Erstellung und Posten eines Selfies: Intentionen und persönliche Erfahrungen der Selbstinszenierung in Social Media

6. Was ist ein Selfie? Erkläre! (offen Frage)

Hier soll geklärt werden, in wie fern die Jugendlichen sich über die Bedeutung des populären Selfie Begriffs bewusst sind.

7. Bei welcher Gelegenheit machst du ein Selfie?(offene Frage)

Die Orte aus der Lebenswelt der Jugendlichen, die bei der Selbstinszenierung verwendet werden, sind hier interessant.

8. Wo postest du dieses Selfie? (offene Frage)

Erforscht werden sollen die Social Network Sites, die die Jugendlichen zur Selbstinszenierung verwenden.

9. Warum postest du ein Selfie?

Die Motivationsgründe beim Posten von Selfies werden hier erfragt. Warum stellen Jugendliche ihre Selbstbilder ins Netz und welche Intentionen verfolgen sie?

o Ich möchte soziale Kontakte pflegen

o Ich möchte meine Erlebnisse mit meinen Freunden/ Follower teilen

o Ich möchte Anerkennung/positive Rückmeldung (likes)

o _____________________________________

o ______________________________________

10. Wie reagierst du auf Bilder, die keine positive Rückmeldung ( Likes, Kommentare) erhalten?

Der Lernprozess der bei Jugendlichen durch das Posten der Selfie entsteht, soll hier aufgezeigt werden. Wie verhalten sich Jugendliche bei einer negativen Resonanz im Netz und wie wirkt sich die negative Resonanz auf ihr zukünftiges Verhalten im Social Web aus?

o löschen
o Ich frage Freunde um Rat
o nochmal bearbeiten/verändern
o In Zukunft poste ich andere Bilder
o verbergen(Beispielsweise in der Chronik)
o ______________________________

11. Was tust du, bevor du ein Bild postest?

Sind Selfies tatsächlich nur etwas Flüchtiges, Spontanes und Unbedeutendes, wie Kritiker es häufig sehen. Oder gehen jedem Selfie vielleicht zahlreiche Überlegungen und kreative Bildbearbeitungsprozesse voraus?

o Ich überlege mir einen Text
o Ich bearbeite das Bild
o Ich frage Freunde um Rat
o Ich denke darüber nach, wer das sehen wird
o __________________________
o __________________________
o __________________________

12. Was ist dir am wichtigsten, wenn du ein Selfie postest? (Erstelle ein Ranking, schreibe die Nummern in die Kreise, 1= am wichtigsten von allen, wenn dir etwas gar nicht wichtig ist, dann lässt du den Kreis frei.)

Worauf legen die Jugendlichen Wert, wenn sie ein Selfie posten? Welche Prioritäten setzen sie?

o Das Bild soll echt sein
o Ich sollte möglichst gut aussehen auf dem Bild
o Es soll ein positives Bild sein
o Ein guter Text zu dem Bild
o Ich möchte zeigen, was ich gut kann
o _____________________________
o _____________________________
o _____________________________

13. Bist du genauso gekränkt, wenn dich jemand auf Facebook, Instagram usw. beleidigt, als würde es diese Person live tun?

Mit dieser Frage soll die Diskussion der Fachliteratur zur Trennung von digitaler und realer Welt ergänzt werden. Trennen die Jugendlichen ihr digitales Leben von dem realen Leben? Oder sind die Jugendlichen sich bewusst, dass die digitale Welt ein Teil ihrer Welt ist?

o Nein, mich interessiert das dann auf Facebook etc. nicht

o Wenn es ein Freund/ eine Freundin tut, finde ich es genauso verletzend

o Ja ich fühle mich dann genauso angegriffen, es handelt sich ja immerhin trotzdem um meine Person

Der Fragebogen wurde von SchülerInnen der Petri Sekundarschule Schwanebeck bearbeitet. Da er von der Lehrkraft ausgeteilt und nach der Bearbeitung wieder eingesammelt wurde, entstand eine Rücklaufquote von 100%. Insgesamt wurden 70 Fragebögen ausgegeben und auch wieder zurückerhalten.


Auswertung des Fragebogens

Auffällig aber auch hervorsehbar war, dass tatsächlich 68 von den 70 befragten SchülerInnen zwischen elf und 16 Jahren ein eigenes Smartphones besitzen. Mehrfachantworten waren bei dieser Frage möglich.49 von 70 SchülerInnen gaben an, ein Smartphone und ein Tablet zu besitzen. Einen Fernseher im eigenen Zimmer haben 49 der Befragten, und einen Fernseher im Haushalt haben 69 SchülerInnen. Die SchülerInnen zwischen 11 und 16 Jahren verfügen bereits über viele eigene digitale Medien, die sie zu Kommunikation verwenden.

Von den 70 SchülerInnen haben nur zwei angegeben, nicht im Besitz eines eigenen Smartphones zu sein. Von den anderen 68 haben ausnahmslos alle WhatsApp auf ihrem Smartphone. Bei der Frage nach der am häufigsten verwendeten App, hat eindeutig die Mehrheit WhatsApp als erste Priorität angegeben.

Als absolut häufigstes Motiv für das Posten eines Selfies wurde von den Jugendlichen, das Teilen von Erlebnissen mit ihren Freunden/ Follower, genannt. 75 % der befragten Jugendlichen gaben zu dem an, dass sie auf soziale Anerkennung und positive Rückmeldung beim Posten eines Selfies, spekulieren. Bei negativer, beziehungsweise keiner Resonanz, scheinen die Jugendlichen ihr zukünftiges Verhalten in Social Media tatsächlich zu modifizieren. Sie durchleben demnach ständig einen Lernprozess, die Reaktionen der anderen UserInnen beeinflussen ihr zukünftiges Verhalten, ihre zukünftige Bildauswahl. Aber auch vor dem Posten machen die Jugendlichen sich einige Gedanken. Das Selfie ist nicht nur ein spontaner Schnappschuss für die Jugendlichen, voraus gehen viele Überlegungen und kreative Prozesse.

Die Mehrheit der Jugendlichen gab an, dass sie besonderen Wert darauf legen, im Netz zu zeigen, was sie gut können. Es geht den Jugendlichen demnach nicht nur um eine ästhetische Präsentation ihres äußeren Erscheinungsbildes, sondern vielmehr um die Darstellung ihrer Fähigkeiten,

Talente und Kompetenzen. Die letzte Frage des Fragebogens bezieht sich auf die im Fachdiskurs bestehende Frage nach der Trennung von der virtuellen und der realen Welt. Tatsächlich sind die Jugendlichen sich anscheinend im Klaren darüber, dass es sich im Netz auch um ihre Person handelt. Folglich reagieren die Jugendlichen auf Anfechtungen im Netz genauso verletzt, wie im realen Leben. 58 von 70 befragten Jugendlichen gaben an, dass sie sich genauso angegriffen fühlen, wenn eine Person sie virtuell beleidigt, als wenn diese Person es in der realen Welt tun würde. Die Angaben der Jugendlichen bestätigt die in dieser Arbeit vertretende Annahme, dass die reale Welt nicht der virtuellen entgegengesetzt werden sollte, sondern, dass die virtuelle Welt vielmehr als Ergänzung anzusehen ist.


Abbildung 9: Besitz digitaler Geräte Jugendlicher (11- 16 Jahre)



Abbildung 10: Apps auf dem Smartphone Jugendlicher



Abbildung 11: bevorzugte Apps bei Jugendlichen


Abbildung 12: Motive für das Posten eines Selfies



Abbildung 13: Reaktionen auf negative Resonanz in Social Media



Abbildung 14: Aktivitäten vor dem Posten eines Bildes



Abbildung 15: bedeutsame Aspekte beim Posten eines Selfies



Abbildung 16: Reaktionen auf Konflikte in Social Media



7. Fazit

Die aktuelle gesellschaftliche Situation ist geprägt von der Globalisierung und der Enttraditionalisierung, sowie einer rasanten Beschleunigung der technischen, kulturellen und sozialen Entwicklungen. Diese zeitgenössischen Phänomene stellen uns vor neue Herausforderungen. Die Idee des lebenslangen Lernens entwickelte sich bereits in den sechziger Jahren, aber eine enorme Geschwindigkeit in der technischen und kulturellen Entwicklung verleiht dem Ansatz des lebenslangen Lernens im digitalen Zeitalter eine ganz neue Dringlichkeit. (vgl. Röll 2009) SchülerInnen müssen bereits in der Schule auf zukünftige Veränderungen vorbereitet werden. Von Mitgliedern der Gesellschaft wird heute stetig eine Anpassung erwartet. Nach Röll (2009) bedarf es daher "zunehmend der Notwendigkeit Metakompetenzen zu entwickeln, die [...] die Ausgangsbedingung bilden, sich im späteren Leben eigenständig die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen anzueignen, die lebenslang gefordert werden." (vgl. ebd., S. 1) Neue Medien machen auch neue pädagogische Konzepte notwendig. Damit SchülerInnen lernen, selbstgesteuert zu lernen müssen die neuen Medien in die pädagogischen Kontexte mit eingebunden werden. " Da Kinder und Jugendliche in einer von Medien geprägten Welt aufwachsen, fällt es ihnen leichter Medien als Mittler von Lernprozessen zu nutzen."(Röll 2009, S. 1)

Lernprozesse verlaufen nicht immer positiv, viele Faktoren können das Lernen begünstigen, oder behindern. Siebert (1985) betont die Unerlässlichkeit, sich bei Lernprozessen an den Lebenswelten und den Bedürfnissen der Lernenden zu orientieren. (vgl. ebd., zitiert nach Röll 2009) In der Lebenswelt der Jugendlichen sind die neuen Medien omnipräsent. Social Media dominiert den Alltag der Jugendlichen. Das wir Menschen uns ständig immer wieder neu orientieren und neue Lernwege ausprobieren, ist keine Selbstverständlichkeit. Gerne verharren wir auch beim Gewohnten und bei bekannten Konzepten. Robert Anton Wilson differenziert zwischen neophoben und neophilen Menschen. Wobei er den neophoben Menschen die Eigenschaft zuschreibt, sich von neuen und unbekannten Phänomenen verängstigen und verunsichern zu lassen. (vgl. Einleitung)

Röll beschreibt diese Unterschiedlichkeit im Wesen der Menschen mit einer unterschiedlich ausgeprägten Tendenz, sich neuen Denkwegen und Wahrnehmungsmöglichkeiten zu öffnen. Wir erwerben bereits im frühen Alter persönliche, individuelle Lernstile. Werden diese Lernstile jedoch nicht immer wieder neu einem Revisionsprozess unterzogen, dann bleiben unsere Lernstile stabil und münden im Senioritätsprinzip. In Bezug auf das Lernen und Lehren bedeutet das: Neue, unbekannte, unverständliche Lernstile werden abgelehnt, da sie nicht in das bekannte Weltbild integriert werden können. "Dies kann zur Verächtlichung, Abwertung und Diskriminierung des jeweils Neuen führen." (Röll 2009, S. 4) Ablehnung und Widerstand gegenüber neuen Phänomenen dienen demnach dem Erhalt des eigenen, bekannten Lernkonzepts. Das Senioritätsprinzip lässt sich jedoch nicht als eine Eigenschaft der älteren Generation deklarieren. Die Generation des digitalen Zeitalters wächst praktischer Weise bereits mit den neuen Medien auf und kommt somit nicht unmittelbar in das Dilemma ihre Lernkonzepte anzupassen.

"Ein weiteres Grundproblem [...] ist, dass unser Bildungssystem in der Regel Menschen, die etwas Neues lernen, als unqualifiziert ansieht."(Röll 2009, S.6) Diese negative Sichtweise impliziert eine Gefahr in der Identitätsarbeit, denn das neue Lernen kann das Identitätsgefühl des Lernenden in Frage stellen. Eine neue Denkweise ist also Grundvoraussetzung für erfolgreiches Lernen im digitalen Zeitalter. "Lernen bedeutet nicht der Ausgleich eines Defizits, sondern eine erweiterte Qualifikation eines kompetenten Menschen" (ebd.) Lernen darf nicht mehr verstanden werden , als reines Auswendiglernen von Faktenwissen, sondern bedeutet vielmehr eine Aneignung neuer Denk- und Wahrnehmungsprozessen, sowie kreatives Denken und Flexibilität bei der Adaption neuer Lernstile.

Die schnelle Weiterentwicklung des Webs, zum Web 2.0 macht deutlich, dass wir auch in Zukunft mit neuen Entwicklungen und Phänomenen konfrontiert werden. Daher sollte der Appell an uns alle heißen, sich den neuen Herausforderungen zu stellen, das Senioritätsprinzip zu verabschieden und mit Neugier und Optimismus neuen Denk- und Wahrnehmungsprozessen gegenüber zu treten. Wir müssen akzeptieren, dass sich unsere Gesellschaft und die Technik schnell verändern, und sollten die Chancen in diesen Entwicklungen erkennen und nutzen.

Durch Social Media verlieren wir nicht die sozialen Fähigkeiten, sondern erhalten die Möglichkeit, unsere sozialen Kontakte noch einfacher und unabhängig von Ort und Zeit zu pflegen. Die Leitfrage dieser Arbeit war, welchen Beitrag Social Media zur Identitätskonstruktion Jugendlicher in der postmodernen Gesellschaft leisten.

In Anbetracht postmoderner gesellschaftlicher Entwicklungen, in denen traditionelle Sozialisationskonzepte und Orientierungsangebote entfallen, bilden Social Media neue Vermittlungsinstanzen, denen Jugendliche Identitätsmuster entnehmen können. (vgl. Tillmann 2008) Der mediale Zusatzraum darf nicht als virtuelle Gegenwelt gesehen werden, vielmehr erweitert und durchdringt dieser zusätzliche Raum die alltägliche Lebenswelt Jugendlicher. (vgl. ebd.) In Kapitel 2 wurde die postmoderne Identitätskonstruktion dargestellt. Jugendliche können nicht mehr auf vorgefertigte Identitätsmodelle zurückreifen und sind folglich auf ihre kreative Eigenleistung angewiesen. Social Media repräsentieren einen vielschichtigen und pluralisierten Identitätsmarkt, der sich auf den Beiträgen der UserInnen manifestiert. Durch die Produktion eigener Bilder und Selfies können Jugendliche auf die neuen Herausforderungen der Identitätskonstruktion antworten. Das Selfie ist demnach eine Methode, den Verlust tradierter Identitätsmuster auszugeichen und sich den gesellschaftlichen Anforderungen von Flexibilisierung, Individualisierung und Pluralisierung zu stellen. (vgl. Tillmann 2008). Genau wie auch die Identität ist das Selfie nicht auf Dauerhaftigkeit ausgelegt. Ein Selfie ist eine Echtzeitaufnahme, die auf Social Network Sites nur für einen bestimmten Zeitraum zu sehen ist. So ist auch die Identitätskonstruktion der Jugendlichen heute auf Flexibilisierung und Fragmentierung ausgelegt: Jugendliche sind ständig gefordert, sich neu zu definieren und auf gesellschaftliche Anforderungen zu reagieren. Das Selfie kann Jugendlichen bei der Aushandlung ihrer Identität in der Postmoderne unterstützen. Ein Subjekt will durch das Selfie wahrgenommen und gesehen werden. In einer schnelllebigen, globalisierten Welt ist das Bedürfnis, sich selbst sichtbar zu machen, noch stärker geworden. Wir dokumentieren unsere Biografie mit Selfies, wir erstellen einen Bezugspunkt, zu dem wir immer wieder zurückkehren können. (vgl. Balsam 2010) Die neue Generation der Jugendlichen macht aus dem Selfie eine Fotopraxis, die global praktiziert wird, und als neue Weltsprache fungiert. (vgl. Ullrich 2015) Der Risikothese, dass Selfies die Jugendlichen zu Narzissten und Egoisten werden lassen, konnten in dieser Arbeit die Potenziale dieser Fotopraxis und der Selbstinszenierung in Social Media entgegengebracht werden. Selfies können verstanden werden, als eine Strategie, mit widersprüchlichen und ambivalenten postmodernen Bedingungen, kreativ und eigenständig umzugehen. Wenn wir Selfies als Gefahr ansehen, dann negieren und berauben wir den Lebensraum der Jugendlichen, denn das Selfie stellt eine jugendspezifische Ausdrucksform der Lebensbewältigung dar.

In der Bearbeitung postmoderner Identitätsmodelle wurde aufgezeigt, dass eine kohärente Selbstnarration eine Bedingung darstellt, um Teilidentitäten zu einem Selbst zu generieren. (vgl. Keupp 2001). Das Selfie ist eine Mikrogeneration, welche den Jugendlichen die Möglichkeit einer erzählerischen Selbstdarstellung ermöglicht. Jugendliche erhalten auf Social Network Sites sehr schnell Resonanz zu ihren Teilidentitäten. Die schnelle und flexible soziale Interaktion in Social Media führt zu einer erneuten Bearbeitung und Aushandlung der entsprechenden Teilidentitäten.

Selbstdarstellung und Eigeninszenierung findet im Sinne des symbolischen Interaktionismus (vgl. Kapitel 3) in alltäglichen Situationen statt. Der Alltag der Jugendlichen ist geprägt durch neue Formen des Internets. Die Weiterentwicklung des Internets zu einer Mitmachplattform (vgl. Kapitel 1) bringt neuen Raum für Engagement, Partizipation, sowie Identitätskonstruktion mit sich. Das Phänomen der Selbstinszenierung ist nicht etwa etwas Neues, was sich mit dem Aufkommen des Social Webs etabliert hat. Das Bedürfnis zur Selbstdarstellung ist etwas Grundlegendes. Im schulischen Kontext sollte diese Selbstdarstellung und die damit einhergehende Identitätskonstruktion unterstützt werden. Hierzu sollte die mediale Welt der Jugendlichen zunächst akzeptiert und positiver bewertet werden. Gemeinsam mit den Jugendlichen können dann die Chancen der Social Media genutzt werden.

"Wenn ein einzelner vor anderen erscheint, stellt er bewußt oder unbewußt eine Situation dar, und eine Konzeption seiner selbst ist wichtiger Bestandteil dieser Darstellung." (Goffmann 1998, S.285) Inszenierungs- und Selbstdarstellungsprozesse finden praktisch in allen unseren alltäglichen Interaktionen statt. Wir stellen uns selber, dar, weil wir in dem Bewusstsein leben, beobachtet und gesehen zu werden. (vgl. Balsam 2010) Das Social Web bildet auch bei der Selbstdarstellung einen zusätzlichen Rahmen für die heutige Generation. Stieger (2015) betont, dass Menschen schon immer den Drag zur Darstellung der eigenen Person hatten. (vgl. ebd.) Die verfügbaren Ressourcen und damit die Art der Selbstdarstellung haben sich verändert. Wir stellen uns demnach im Social Web nicht aus purer Eitelkeit oder gar aus einer narzisstischen Veranlagung heraus dar, sondern vielmehr, um unsere Identität zu konstruieren, zu modifizieren und immer wieder neu zusammenzustellen.

Identität lässt sich definieren als die Fähigkeit, "dass jemand Ich sagen kann." (Schorb 2004, S. 81) Die stabilen Orientierungsangebote zur Identitätsfindung sind heute jedoch sehr limitiert und die "Subjekte erleben sich als Darsteller auf einer gesellschaftlichen Bühne, ohne dass ihnen fertige Drehbücher geliefert werden." (Keupp 2000, S. 117)

Identität in der Postmoderne muss demnach verstanden werden, als eine kreative Eigenleistung, welche sowohl Freiheiten, als auch Unsicherheiten impliziert. (vgl. Sennett 1998) Das Social Web kann bei einer flexiblen Persönlichkeitsentwicklung der Jugendlichen, unterstützend fungieren. Die Selbstdarstellung im Social Web sollte nicht so negiert werden. Weder ist das Phänomen der Selbstdarstellung etwas Negatives, oder gar Gefährliches, noch ist es etwas Neues, was durch das Web 2.0 erst entstanden ist. Denn, " Wir alle spielen Theater", Goffmann 1959, S. 67) unabhängig von den technischen und kulturellen Entwicklungen unserer Zeit.


Literaturverzeichnis:

Antonovsky, Aaron (1986): Intergenerational Networks and Transmitting the Sense of Coherence. In: Datan, N./Greene, A./Reese, H. (Hrsg.): Life Span Development Psychologie, S. 211-223

Autenrieth, Ulla (2014) : Das Phänomen " Selfie". Handlungsorientierung und Herausforderung der fotografischen Selbstinszenierung von Jugendlichen im Social Web. In: Lauffer, Jürgen/ Röllecke, Renate (Hrsg.): Lieben, Liken, Spielen. Digitale Kommunikation und Selbstdarstellung Jugendlicher heute- Medienpädagogische Konzepte und Perspektiven. Beiträge aus Forschung und Praxis. Prämierte Medienprojekte, S.53 - 58

Bachmair. Ben (2009): Medienwissen für Pädagogen- Medienbildung in riskanten Erlebniswelten. Wiesebaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften

Balsam, Rebekka (2010): Selbstinszenierung durch Fotografie: die Pose der Selbstdarstellung am Beispiel von StudiVz. Boizenburg: Hülsbusch


Bering, Kunibert/Niehoff, Rolf (2014): Bildkompetenz. Eine kunsthistorische Perspektive. Oberhausen: Athena


Bieber, Alain (2015): Ego Update. Düsseldorf. NRW- Forum- Düsseldorf

Dammann, Gerhard (2012): Narzissmus. Wichtige psychodynamische Konzepte und ihre Auswirkungen auf die klinische Praxis. In: Dammann/ Sammet/ Grimmer (Hrsg.):Narzissmus. Theorie, Diagnostik, Therapie Münsterlingen: Kohlhammer Verlag, S. 15-46

Döring, Nicola (2014): Mobilität und mobiler Mediengebrauch im Kontext der Entwicklungsbedingungen von Heranwachsenden. In: Wagner, Ulrike (Hrsg.):vernetzt_öffentlich_aktiv. Mobile Medien in der Lebenswelt von Jugendlichen, S. 55-61

Ebersbach, Anja/ Glaser, Markus/ Dr. Heigl, Richard (2016): Social Web (3.Auflage). Konstanz und München: UVK Verlagsgesellschaft mbH

Ernst, Christina (2015): Mein Gesicht zeig ich nicht auf Facebook. Social Media als Herausforderung theologischer Anthropologie. München: Edition Ruprecht

Faulstirch, Werner (2004): Medienwissenschaften. Paderborn


Fleischer, Sandra/ Hajok, Daniel (2016): Einführung in die medienpädagogische Praxis und Forschung. Kinder und Jugendliche im Spannungsfeld der Medien. Weinheim: Beltz Bad Langensalza GmbH

Fuchs, Max(2015): Medien als Mittel der Weltaneignung: Zur Medienkompetenz als Teil der kulturellen und ästhetischen Bildung. In: Hagener, Malte/ Hediger, Vinzens (Hg.): Medienkultur und Bildung- Ästhetische Erziehung im Zeitalter digitaler Netzwerke, S.39- 48

Goffmann, Ervin (1959): The presentation of self in everyday life. New York: Dobleday

Hobmaier, Hermann (1996): Pädagogik. Köln: Stam Verlag

Höfer, Renate (2000): Jugend, Gesundheit und Identität. Studien zum Kohärenzgefühl. Opladen: Leske+ Budrich

Hübner, Edwin (2015) :Medien und Pädagogik. Gesichtspunkte zum Verständnis der Medien, Grundlagen einer anthroposophisch- anthropologischen Medienpädagogik. Stuttgart: edition waldorf

Jörissen, Benjamin (2015): Transagressive Artikulation: Ästhetik und Medialität aus Perspektive der strukturalen Medienbildung. In: Hagener, Malte/ Hediger, Vinzens (Hg.): Medienkultur und Bildung- Ästhetische Erziehung im Zeitalter digitaler Netzwerke, S 49- 64

Kahnwald, Nina (2013) : Informelles Lernen in virtuellen Gemeinschaften. Nutzungspraktiken zwischen Information und Partizipation. Münster: Waxmann Verlag GmbH

Keupp, Heiner (1988): Auf dem Weg zur Patchwork-Identität? Verhaltenstherapie und Psychosoziale Praxis, 4, S. 425-238

Keupp, Heiner (1998): Diskursarena Identität: Lernprozesse in der Identitätsforschung. In: Heiner Keupp; Renate Höfer (Hrsg.): Identitätsarbeit heute. Klassische und aktuelle Perspektiven der Identitätsforschung. Frankfurt a.M., S. 11-39

Keupp, Heiner (2000): Identitäten in Bewegung - und die illusionäre Hoffnung auf den Körper. In: motorik, 3, S. 113-123

Keupp, Heiner. (2002). Identitätskonstruktionen. Das Patchwork der Identität in der Spätmoderne (2. Auflage) Reinbek bei Hamburg: Rowohlt- Taschenbuch Verlag

Keupp, Heiner (2008): Identitätskonstruktionen. Das Patchwork der Identitäten in der Spätmoderne. Reinbek: Rowohlt-Taschenbuch-Verlag

Keupp, Heiner (2009): Identitätskonstruktionen in der spätmodernen Gesellschaft -Riskante Chancen bei prekären Ressourcen. In: Theunert, Helga (Hrsg.): Jugend Identität Medien. Identitätsarbeit Jugendlicher mit und in Medien, S. 53-7I


Kirchhoff, Sabine/ Harney, Benjamin (2015) : Gibt es die "Digital NativesÓ wirklich? Marc Prenskys Thesen auf dem Prüfstand. In: Kirchhoff, Sabine (Hg.): Online- Kommunikation im Social Web. Mythen, Theorien und Praxisbeispiele

Magenheim, Johannes/ Meister, Dorothee M. (2011): Potenziale von Web 2.0 Technologien für die Schule. In: Albers, Carsten/ Magenheim, Johannes/ Meister, Dorotee M. (Hrsg.): Schule in der digitalen Welt. Medienpädagogische Ansätze und Schulforschungsperspektiven, S.19-42

Manovich, Lev (2009): The Practice of Everyday (Media) Life. From Mass Consumption to Mass Cultural Production? In: Critical Inquiry, S. 329- 331

Mara, Martina (2009): Narziss im Cyberspace. Zur Konstruktion digitaler Selbstbilder auf der Social Network Site studiVz. Boizenburg: Werner Hülsbusch Verlag

Ostwald, M. (1997): Virtual urban futures. In: Holmes, D. (Hg.): Virtual politics: Identity and community in cyberspace. London: Sage, S. 125- 144

Richard, Birgit (2010): Das jugendliche Bild- Ego bei Youtube und flickr. True (Black Mental) und Real als Figuren mimetischer Selbstdarstellung. In: Hugger, Kai Uwe (Hrsg.): Digitale Jugendkulturen. Wiesbaden: Springer VS, S.37- 53)

Robbins, K. (1996): Cyberspace and the world we live in. In: Doveey, J (Hg.): Fractal dreams. New media in social context. London: Lawrence & Wishart, S.1-30

Röll, Franz Josef (2010): Social Network Sites. In: Hugger, Kai-Uwe (Hrsg.): Digitale Jugendkulturen, S. 209 -224

Röll, Franz Josef (2014): Die Macht der inneren Bilder. Zum Spannungsverhältnis von virtueller und realer Aneignung von Wirklichkeit. In: Deinet, Ulrich/Reutlinger,Christian (Hrsg.): Tätigkeit - Aneignung - Bildung. Positionierungen zwischen Virtualität und Gegenständlichkeit, S. 311-324

Saltz, Jerry (2015): Kunst am ausgestreckten Arm. Eine Geschichte des Selfies. In: Bieber, Alain (Hrsg.): Ego Update, S. 22-29

Stanoevska- Slabeva, Katarina (2008): Web 2.0- Grundlagen, Auswirkungen und zukünftige Trends. In: Weckel/Stanoevska- Slabeva (Hrsg.): Web 2.0- die nächste Generation Internet, S.13-38

Schorb, Bernd (2009): Mediale Identitätsarbeit: Zwischen Realität, Experiment und Provokation. In: Theunert, Helga (Hrsg.): jugend identität medien. Identitätsarbeit Jugendlicher mit und in Medien, S. 81-93

Stiegler, Christian (2015): Selfies und Selfie Sicks. Automedialität des digitalen Selbstmanagements. In: Stiegler, Christian (Hrsg.): New media culture. Mediale Phänomene der Netzkultur, S.67- 81

Theunert, Helga (2006) : Bilderwelten im Kopf. Interdisziplinäre Zugänge. München: Kopaed Verlag


Tillmann, Angela (2008) : Identitätsspielraum Internet. Lernprozesse und Selbstabbildungspraktiken von Mädchen und jungen Frauen in der virtuellen Welt. Weinheim/ München: Juventa

Ullrich, Wolfgang (2015): Selfies als Weltsprache. In: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe (Hrsg.): Ich bin hier! Von Rembrandt zum Selfie, S. 32- 40

Urchs/ Cole (2013): Digitale Aufklärung. Warum das Internet uns klüger macht. München: Carl Hanser Verlag

Witzke, Margit (2004): Identität, Selbstausdruck und Jugendkultur. Eigenproduzierte Videos Jugendlicher im Vergleich mit ihren Selbstaussagen. Ein Beitrag zur Jugend(kultur)forschung. München: koeped

Witze, Margit (2009): Medialer Selbstausdruck: Thematisierung- und Kommunikationspotenziale im Kontext von identitätsbildenden Prozessen. In: Theunert, Helga (Hrsg.): Jugend Identität Medien. Identitätsarbeit Jugendlicher mit und in Medien, S.127- 143


Internetquellen:

Apothekten- Umschau (2016) : Wie kommt man mit einem Narzissten klar? In:http://www.apotheken-umschau.de/Psychologie/Wie-kommt-man-mit-einem-Narzissten-klar-511043.html (aufgerufen am 01.12.2016)

Jiménez, Fanny (2016): Selfies verraten den Psychopathen und Narzissten. In: www.welt.de/gesundheit/pschologie/article136920755/Selfies-verraten-den-Psychopathen-und-Narzissten.html (aufgerufen am 14.11.2016)

OnlineMarketing.de GmbH (2016): Diffusionstheorie nach Rogers. In: https://onlinemarketing.de/lexikon/definition-diffusionstheorie-nach-rogers (abgerufen am 10.11.2016)

Statista GmbH (2016): Anzahl der Smartphone-Nutzer in Deutschland in den Jahren 2009 bis 2016. In: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/198959/umfrage/anzahl-der-smartphonenutzer-in-deutschland-seit-2010/ (aufgerufen am 01.12.1016)

Wikipedia Foundation (2016): Medien (Kommunikation).In: http://de.wikipedia.org/wiki/Medium (aufgerufen am 25.11.2016)

Wikipedia Foundation (2016): Lurker. In: ttps://de.wikipedia.org/wiki/Lurker (aufgerufen am 25.11.2016)


Abbildungsverzeichnis:

    Abbildung 1: Bewertung von Konflikten in Social Media gegenüber der realen Welt
    Abbildung 2: Gerätebesitz Jugendlicher (11- 16 Jahre)
    Abbildung 3: Entwicklungswege in (virtuellen) Praxisgemeinschaften
    Abbildung 4: Wechselbeziehung zwischen Individuum, einer anderen Person, deren Bild vom Individuum (Fremdbild) und dem Bild der Person von sich selbst (Selbstbild)
    Abbildung 5: Reaktion auf negative Resonanz in Social Media
    Abbildung 6: "Ryan Gosling von Jonas Uger"
    Abbildung 7: Echo und Narcissus, John William Waterhouse, 1903
    Abbildung 8: Apps auf dem Smartphone Jugendlicher
    Abbildung 9: Apps auf dem Smartphone Jugendlicher
    Abbildung 10: Besitz digitaler Geräte Jugendlicher (11- 16 Jahre)
    Abbildung 11: bevorzugte Apps bei Jugendlichen
    Abbildung 12: Motive für das Posten eines Selfies
    Abbildung 13: Reaktionen auf negative Resonanz in Social Media
    Abbildung 14: Aktivitäten vor dem Posten eines Bildes
    Abbildung 15: bedeutsame Aspekte beim Posten eines Selfies
    Abbildung 16: Reaktionen auf Konflikte in Social Media


Fußnoten

[1] www.welt.de/print/wams/kultur/article150342644/Ego-am-Stiel.html (aufgerufen am 01.12.2016 )
[2] www.karrierebibel.de/selfie (aufgerufen am 01.12.2016)
[3] zeitjung.de/selfies-verzerrtes-selbstbild-wahres-problem-unserer-generation/ (aufgerufen am 02.12.2016)
[4] www.archiv.zeitjung.de/kultur/11496-hassobjekt-selfie-stick (aufgerufen am 02.12.2016)
[5] Diese Studie wird an dieser Stelle exemplarisch genannt. Es existieren noch weitere Studien, die den Zusammenhang von Selfies und Narzissmus belegen sollen, welche auf Grund der umfangreichen Thematik hier nicht weiter aufgeführt werden